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24. Compliance Netzwerktreffen: „Compliance lebendig halten – Strategien aus der Praxis“

Casinos Austria und das Compliance Netzwerk Österreich luden am Dienstag ins „Studio 44“ in Wien Landstraße. Die Podiumsgespräche drehten sich um eine bunte Palette an Aspekten rund um die Frage, wie sich Compliance in Unternehmen langfristig verankern lässt. Etwa 150 Gäste folgten der Einladung.
Von Mag. Klaus Putzer
15. März 2017

Nach der Begrüßung durch LexisNexis-Geschäftsführer Alberto Sanz de Lama eröffnete Prof. Dietmar Hoscher1, Vorstandsdirektor der Casinos Austria AG, das 24. Compliance Netzwerktreffen mit einem Rückblick auf seine vielfältigen Initiativen im Bereich Compliance und CSR.

Bereits im Jahr 2000 haben sich die Casinos Austria als erstes kommerzielles Unternehmen an der Erstellung eines CSR-Leitfadens beteiligt. Damals habe noch kaum jemand etwas mit Corporate Social Responsibility anfangen können und man habe Verschiedenstes darunter verstanden. „Ich habe das Gefühl, dass heute auch Compliance ganz unterschiedlich verstanden wird“, gab Prof. Hoscher den Startschuss für den Diskussionsabend.

Podium des 24. Compliance Netzwerktreffens, © c) LexisNexis / Arman Rastegar
Podium des 24. Compliance Netzwerktreffens

V.l.n.r.: Dr. Mag. Aslan Milla, Senior Partner PwC Österreich; Mag. Martin Kreutner MSc, Dekan IACA; Michael Mrak, Abteilungsleiter Compliance, Public & European Affairs, CSR, Casinos Austria AG; RA Dr. Gerald Ganzger, Partner LANSKY, GANZGER + partner; Prof. Mag. Dietmar Hoscher, Vorstandsdirektor Casinos Austria AG.

Fokus auf tatsächliche Risiken

Strategien rund um das Implementieren und Aufrechterhalten von Compliance-Systemen in Unternehmen können an unterschiedlichsten Punkten ansetzen, so beispielsweise auch bei der Zertifizierung.

Dr. Aslan Milla, Senior Partner bei PwC Österreich, skizzierte in einem Kurzreferat die Zertifizierung des Beschaffungsbereichs der Casinos Austria nach ISO 19600 bzw. ISO 37001 (Vortragsfolien s. unten). Teil davon war eine Risikoanalyse, die ergab, dass leidglich 2,7 Prozent der Beschaffungsvorgänge mit einem hohen Risiko behaftet sind, diese allerdings ein Volumen von 57 Prozent aller Einkäufe ausmachen. Genau in diesem eingegrenzten Bereich werden daher künftig verstärkt Kontrollen durchgeführt. Auf solche Weise „helfen Zertifikate Unternehmen, in einem sehr komplexen Umfeld compliant zu bleiben“, so Dr. Milla – durch die Fokussierung auf wesentliche Risiken, nicht durch noch mehr Bürokratie.

Die Macht der Peergroup

Einen anthropologisch-psychologischen Ansatz wählte hingegen Mag. Martin Kreutner, Dekan der International Anti-Corruption Academy, für seine Überlegungen. Er stellte die provokante Frage: „Kann man Compliance überhaupt lernen?“ Mit Filmeinspielungen von Tierexperimenten illustrierte Herr Kreutner anschaulich, dass sich regelkonformes bzw. -abweichendes Verhalten nicht im luftleeren Raum abspielt. „Carrots“ (Incentives) und „Sticks“ (Sanktionen) spielen natürlich eine Rolle. Aber auch das Verhalten der engeren und weiteren „Peergroup“ hat großen Einfluss auf den Einzelnen. Niemand würde heute wie noch vor 30 Jahren auf die Idee kommen, ohne Gurt Auto zu fahren oder sich ohne Helm auf ein Rennrad zu setzen. Die „intrinsische Motivation“ von Mitarbeitern, sich richtig zu verhalten, kann durch den Tone from the Top, die Unternehmenskultur oder ein insgesamt positives Bild des eigenen Unternehmens gestärkt, durch unfaire Doppelstandards zwischen Management und einfachem Mitarbeiter aber auch sehr stark unterminiert werden.

Whistleblowing und „absurd hohe Strafen“

Im Podiumsgespräch mit Michael Mrak, Abteilungsleiter Compliance, Public & European Affairs und CSR bei Casinos Austria, setzte sich die Diskussion um das Thema „Motivation“ fort. Ob „absurd hohe Strafen“, wie etwa in der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen, tatsächlich zu Wohlverhalten anspornen würden, fragte der Moderator.

Rechtsanwalt Dr. Gerald Ganzger, Partner bei LANSKY, GANZGER + partner, meinte, dies werde entscheidend von der Judikatur abhängen. Erfahrungsgemäß würden die Strafrahmen von den Gerichten aber nie ganz ausgeschöpft. Durchaus motiviert fühlt sich hingegen Vorstandsdirektor Hoscher: „Ein Vorstand muss sich fragen, ob die Nicht-Einrichtung eines Compliance-Systems zum Datenschutz angesichts der hohen Strafdrohungen im Ernstfall nicht zum Vorwurf der Untreue führen könnte.“

Kontrovers debattierte das Podium dann unter anderem auch die Sinnhaftigkeit von Whistleblowing-Systemen: Sind anonyme Hinweisgebersysteme ein Instrument für mehr Rechtssicherheit im Unternehmen? Überfordert der richtige Umgang mit Meldungen die Betreiber der Whistleblower-Hotline? Sind Hinweisgeber tatsächlich ausreichend vor Schikanen geschützt? „In der Privatwirtschaft müssen anonyme Hinweise nicht immer zu Ermittlungen führen“, stellte Aslan Milla abschließend fest, „dennoch sind Whistleblowing-Hotlines aber ein Teil der Hygiene in einem Unternehmen.“

Das inhaltlich sehr breit gefächerte 24. Compliance Netzwerktreffen fand seinen Ausklang wie immer bei interessanten Gesprächen, Häppchen und einem guten Glas Wein.

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Fußnoten

  1. Ein ausführliches Interview mit Prof. Hoscher lesen Sie in der aktuellen Compliance Praxis (Premium-Content)   ^

Autoren

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Mag. Klaus Putzer

Mag. Klaus Putzer war von 2010 bis 2023 Redakteur bzw. Chefredakteur der Compliance Praxis. Zuvor war er in mehreren Verlagen als leitender Redakteur im Magazinbereich tätig bzw. arbeitete als frei...