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Korruption: Österreich ist nicht so gut, wie es sich gerne darstellt

Medienberichte sind für Entscheidungen heimischer Manager eher relevant als die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen.
Von Dr. Franz Hofbauer
11. November 2010

Am 26.Oktober 2010 titelte „Die.Presse.com“ anlässlich der Veröffentlichung des diesjährigen Corruption Perception Index (CPI) von Transparency International: „Korruption: Österreich im guten Mittelfeld“. Ist das Wort „gut“ in diesem Zusammenhang tatsächlich angebracht? Die Überschrift gibt Anlass zu Überlegungen über die mangelnde Sensibilisierung in Österreich bei Fragen der Integrität.

Aber zunächst ein paar Worte zur Methodik dieses Index und zur grundsätzlichen Problematik der Nichtmessbarkeit von Korruption, zumal ein wesentliches Element der Korruption die Geheimhaltung ist. Der Index ist ein Wahrnehmungs-(Perception)Index und kann bei aller Gewissenhaftigkeit der Erstellung nie ein exaktes Ergebnis erbringen.

Die Bewertung Österreichs erfolgte auf Basis von Studien und Umfragen durch sechs unabhängige Institutionen und ergab einen Wert von 7,9 auf einer Skala von null bis zehn, wobei zehn „nicht korrupt“ bedeutet. Unter 178 bewerteten Ländern ergibt das Rang 15, das ist ein Rang besser als im Vorjahr (bei gleicher Punktezahl).

Die typische Reaktion in Österreich ist: Alles in Ordnung, die meisten Länder sind hinter uns. Das oben erwähnte Zitat „gutes Mittelfeld“ in der Überschrift drückt – wenn auch unbeabsichtigt – diese Gedankenwelt aus.

Ausländische Experten kritischer

Was wir aber tun müssten, wäre, uns mit hochzivilisierten Ländern zu vergleichen – und zwar in Hinblick auf Rechtssystem, Demokratieverständnis und nicht zuletzt den Stellenwert der Integrität in der öffentlichen Wahrnehmung.

Wenn wir nur die europäischen Länder betrachten, liegt Österreich auf Rang zehn, traditionellerweise hinter den skandinavischen Ländern, den Niederlanden, der Schweiz (was vielleicht nicht alle so sehen), Luxemburg und Irland. Wir sind also nicht so gut, wie wir uns gerne darstellen. Bezeichnend ist, dass bei der Erstellung des CPI die Einschätzung der Experten von außen deutlich kritischer ist als die der österreichischen Bewerter. Die Bandbreite der Ergebnisse reicht von 6,8 bis 8,9 – wobei die besten Noten aus dem Inland kommen, was auf mangelndes Unrechtsbewusstsein in diesem Zusammenhang hindeutet.

Obwohl zur Zeit die Medien gerade von einer Reihe außergewöhnlicher Korruptionsskandale beherrscht werden, scheint meines Erachtens das wesentliche Problem in den Grauzonen, dem fließenden Übergang vom sauberen zum weniger sauberen Wirtschaften, zu liegen. Obwohl nicht strafrechtlich relevant, blüht in Österreich die „Freunderlwirtschaft“, das gegenseitige Zukommenlassen von Vorteilen aller Art.

Das ist nach der Novelle zum Strafrechtsänderungsgesetz sogar im Umgang mit Amtsträgern legal, soweit keine pflichtwidrigen Handlungen damit verbunden sind oder keine Dienstrechtsvorschriften verletzt werden. Das wirksamste Korrektiv hiezu ist die öffentliche Meinung. Fragen wie „Stört es mich, wenn es in der Zeitung steht?“ etc. sind für die Entscheidungen der österreichischen Manager eher relevant als die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen.

Zwar brachte das Gesetz in der ursprünglichen Fassung von 2008 ein Umdenken und eine gesteigerte Sensibilisierung (siehe die Diskussion um den „Anfütterungs-Paragrafen“), doch ist mit der Fassung von 2009 nicht mehr viel davon übrig geblieben. Österreich hat eines der zahnlosesten Antikorruptions-Gesetze in Europa.

Gerechterweise soll hier aber auch betont werden, dass in zahlreichen Unternehmungen und teilweise auch im öffentlichen Bereich ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, interne Richtlinien („Code of Conduct“) für ethisch verantwortungsvolles Wirtschaften zu erstellen und sich auch wirklich daran zu halten.

Mangelndes Unrechtsbewusstsein

Einschlägige Veranstaltungen und Seminare werden immer besser besucht. Es setzt sich langsam die Überlegung durch, dass ethisches Wirtschaften – und somit die Vermeidung von Skandalen – nicht nur für das Image der jeweiligen Organisation wichtig ist, sondern sich auch positiv auf die Ergebnisse, auf das Betriebsklima und nicht zuletzt auf den Erhalt der eigenen Position auswirkt.

Wenn schon nicht unbedingt moralisch motiviert, ist ein entsprechendes Verhalten im Sinne eines effizienten Risikomanagements angebracht. Dass derartige interne Systeme zu erstellen sind, wird außerdem in gesetzlichen Bestimmungen wie dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz und dem Unternehmungsrechtsänderungsgesetz vorgeschrieben, was anscheinend noch nicht im allgemeinen Bewusstsein verankert ist. Derartige positive Ansätze des Umdenkens sind zwar für das Geschäftsleben in Österreich zu bemerken – für den Umgang mit Bestechung im Auslandsgeschäft gilt dies nur sehr eingeschränkt. Ganz im Gegenteil: Hier scheint ein erschreckender Mangel an Unrechtsbewusstsein zu bestehen.

Ausgelagerte Schmutzarbeit

Dies ist umso problematischer, wenn man sich das Ranking im CPI von osteuropäischen Ländern ansieht, die besonders für österreichische Unternehmungen wichtige Geschäftspartner sind: Polen auf Platz 41, Ungarn 50, Tschechien 53, Slowakei 59, Kroatien 62, Rumänien 69, Bulgarien 73. Und besonders bedenklich: Russland auf Platz 154. In dieser Gruppe haben sich Tschechien und Ungarn im Vergleich zum Vorjahr noch deutlich verschlechtert.

Auch wenn zu Beginn die mangelnde Exaktheit des Index erwähnt wurde, zeigt das Ranking doch das erhebliche Ausmaß an Korruption in diesen Ländern. Geschäftsbeziehungen zu diesen Ländern erfordern eine besondere Aufmerksamkeit des Managements, und es erweist sich gerade hier, inwieweit die ethischen Richtlinien ernst gemeint sind.

Die Tendenz, intelligenter zu schmieren und die Schmutzarbeit an Dritte wie Lobbyisten, Agenten und Berater auszulagern, kann nicht die richtige Antwort sein. Es gibt zahlreiche Beispiele für sauberes Agieren in diesen schwierigen Märkten. Organisationen wie die Internationale Handelskammer (ICC) und Transparency International haben diesbezüglich Methoden und Wege entwickelt.

2011 kommt kritischer Bericht

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen man besser auf ein Geschäft verzichtet – was langfristig die richtige Lösung ist. Dass Bestechung von Amtsträgern im Ausland auch hierzulande gesetzlich verboten ist, sei nur nebenbei erwähnt. Es ist zu hoffen, dass weiterer Druck von außen zu einer ernsthafteren Behandlung dieses Themas im Inland beitragen wird.

Österreich ist eines der wenigen Länder, in denen die OECD-Konventionen gegen Auslandsbestechung kaum bis gar nicht umgesetzt wurden. 2011 steht die nächste Evaluation der einschlägigen österreichischen Bestimmungen durch den Europarat (GRECO) an. Der Bericht wird sicher kritisch ausfallen und hoffentlich zum Anlass genommen werden, endlich die deutlicheren rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Autoren

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Dr. Franz Hofbauer

Dr. Franz Hofbauer ist ehrenamtlich im Beirat Transparency International/Austrian Chapter tätig sowie Mitherausgeber der Compliance Praxis. Vor seiner Pensionierung war Dr. Hobauer Vorstandsvorsitz...