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Korruption: Gesellschaftlicher Auf- und Umbruch in Schwellenländern?

Korruption und deren Bekämpfung wird zunehmend zum politischen Thema in Schwellenländern. Denn deren Bürger ordnen sich korrupten Systemen nicht mehr widerstandslos unter.
Von Mag. Markus Höcher
14. Mai 2014

Die indische Ökonomin Jayati Ghosh äußerte sich in einem SPIEGEL-Interview folgendermaßen zum Thema Korruption in Indien: „Korruption ist eine Frage der Entwicklung. Je höher entwickelt eine Gesellschaft ist, desto weniger findet sie sich mit Korruption ab.“

Stimmt diese These für Indien speziell und für andere Schwellenländer (Emerging and Developing Economies nach Klassifikation des IWF) generell? Nimmt man als Beispielsmaßstab die sogenannten BRICS-Staaten, so ist tatsächlich erkennbar, dass die Toleranzschwelle gegenüber staatlicher Korruption offenbar gesunken ist:

In Brasilien richten sich derzeit wieder große Proteste gegen Korruption, Polizeigewalt und Armut. Die Unruhen sind dabei weltweit mediales Thema, denn das Land veranstaltet die diesjährige Fußball-WM und die Olympischen Sommerspiele 2016. Auch und gerade diese Großveranstaltungen und deren Finanzierung werden national kritisch betrachtet und liegen damit auch im Fokus der internationalen Gemeinschaft.

Ähnliche Erfahrungen machte dieses Jahr auch schon Russland: In der Bevölkerung wurde der Unmut über die explodierenden Kosten für die Olympischen Winterspiele in Sotschi größer und die staatliche Vergabepolitik für Bauvorhaben bot Kreml-Kritikern und Oppositionsparteien große Angriffsfläche. Auch wenn nunmehr die Ukraine-Krise die nationalen Medien beherrscht, so ist das Thema dennoch nicht ganz aus den Diskussionen verschwunden.

In Indien wiederum finden derzeit noch Parlamentswahlen statt. Mit Narendra Modi gilt ein erklärter Verwaltungsmodernisierer und Korruptionsbekämpfer als aussichtsreicher Kandidat, der Korruption und schlechte Verwaltungsabläufe als Hemmschuh für das Wirtschaftswachstum erkannt hat. Bei den Wählern kann er mit diesem Programm auf positive Resonanz zählen und auch andere Parteien treten explizit mit dem Versprechen einer effektiveren Korruptionsbekämpfung auf.

Auch in China ist dem neuen Präsidenten und Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Xi Jinping, Korruptionsbekämpfung ein wichtiges Anliegen. Er weiß, dass die grassierende Bestechlichkeit unter den Funktionären langfristig schon bestehenden Unmut der Bevölkerung weiter verstärken und damit die Macht der KP gefährden kann. Deswegen bemüht sich die Parteispitze, auch medial eine „Null-Toleranz“-Politik in Bezug auf Korruption zu propagieren.

In Südafrika schließlich muss die langjährige Regierungspartei ANC bei den anstehenden Parlamentswahlen fürchten, zum ersten Mal seit dem Ende der Apartheid weniger als 60 Prozent der Wählerstimmen zu erreichen. Als besonderes Problem gelten hohe Kriminalität und Arbeitslosigkeit, sowie ein hohes Ausmaß an Korruption. So wird aktuell über den Umgang mit Staatsgeld intensiv diskutiert, denn der amtierende Präsident, Jacob Zuma, soll seinen privaten Wohnsitz mit öffentlichen Geldern luxuriös um- und ausgebaut haben.

Diese Beispiele zeigen deutlich, dass Korruption in den genannten Schwellenländern zumindest als Thema Teil der gesellschaftlichen und politischen Diskussion geworden ist. Unzweifelhaft lässt sich eine Sensibilisierung gegenüber korruptiven Vorgängen erkennen. Ob dadurch aber in weiterer Folge in den jeweiligen Ländern tatsächlich das Ausmaß an Korruption abnehmen wird, lässt sich schwer prognostizieren.

Autoren

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Mag. Markus Höcher

Mag. Markus Höcher ist Universitätsassistent am Institut für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht der Wirtschaftsuniversität Wien mit Forschungsschwerpunkt im Bereich der Korrupt...