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Healthcare Compliance: Geldspritze von Pharmafirma ist Bestechung

Erstmals wurden jetzt zwei deutsche Kassenärzte verurteilt: Die Annahme von Umsatzbeteiligungen für verschriebene Medikamente ist Bestechlichkeit.
Von Redaktion
12. November 2010

Ein Urteil des Amtsgerichts Ulm lässt aufhorchen: Erstmals wurden zwei niedergelassene Kassenärzte wegen Bestechlichkeit bestraft. Die Ärzte einer Gemeinschaftspraxis erhielten entsprechend einer mündlichen Absprache für verschriebene Medikamente der Pharmafirma Ratiopharm Umsatzbeteiligungen, so genannte Kick-Back-Zahlungen, bis zu maximal 8 Prozent des Herstellerabgabepreises. Die beiden Ärzte haben Berufung gegen ihre Verurteilung eingelegt.

Verpflichtung zur Offenlegung

Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Ulm summierten sich die 14 Schecks in den Jahren von 2002 bis 2005 auf rund 19.000 Euro. Das Gericht verurteilte die beiden Ärzte wegen Betrugs und Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit zu jeweils einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und zur Zahlung von jeweils 20.000 Euro Bußgeld.

Die Ärzte wären verpflichtet gewesen, die Rückflüsse gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (kurz: KV) offen zu legen, sodass diese mit Forderungen der Ärzte gegen die KV hätten verrechnet werden können. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft stellt dies Betrug durch Unterlassen in 14 Fällen dar.

Aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Ulm geht hervor, dass die Firma ratiopharm bereits seit Mitte der Neunzigerjahre „neben anderen Programmen zur Umsatzsteigerung über ihre Außendienstmitarbeiter bundesweit mit Ärzten Vereinbarungen über Umsatzbeteiligungen“ abschloss. Anfangs wurden die Umsatzbeteiligungen durch Sachleistungen wie EDV-Produkte abgegolten. Später übergab man Schecks. Der Rechtsgrund der Zuwendungen sollte verschleiert werden, indem als Verwendungszweck für die Zahlungen von „Honoraren“ tatsächlich nicht abgehaltene Schulungen und Vorträge angegeben wurden.

Spannungsfeld „wirtschaftliche Interessen versus ärztliche Unabhängigkeit“

Ein Kernproblem des Gesundheitssektors ist das Spannungsfeld „wirtschaftliche Interessen versus ärztliche Unabhängigkeit“. Ärztinnen und Ärzte müssen die für die Patientinnen und Patienten optimale Versorgung sicherstellen und dabei die Anforderungen der Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens sicherstellen. Die Pharmaindustrie steckt viel Geld in die Forschung. Die Zusammenarbeit mit den Angehörigen des Gesundheitssektors ermöglicht wissenschaftlichen Austausch und die Weiterentwicklung der pharmazeutischen Produkte. Angehörige des Gesundheitswesens sind jedoch auch Entscheidungsträger bei der Beschaffung und Anwendung von Medizinprodukten und somit maßgebend für den Umsatz der Pharmaindustrie. Die Kosten trägt das öffentliche Gesundheitssystem. Leistungen und Vergünstigungen seitens der Pharmafirmen könnten daher eventuell das Verschreibungsverhalten von Kassenärzten beeinflussen.

Mag. Manuela Taschlmar

Autoren

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Redaktion

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