Navigation
Seiteninhalt

EuGH zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogramm

Wer die Funktionalität eines Computerprogramms beobachtet und nachbildet, ohne auf den Quellcode zuzugreifen, verstößt laut einem Urteil des EuGH nicht gegen das Urheberrecht. Funktionalität und Programmiersprache eines Computerprogramms sind also urheberrechtlich nicht geschützt.
Von Redaktion
04. Mai 2012

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs fiel im Rahmen eines britischen Vorabentscheidungsersuchens.

Das SAS Institute, Hersteller einer Statistik-Software (im Folgenden: SAS-System), hatte die Firma WPL wegen Urheberrechtsverletzungen geklagt.

Die Firma WPL erstellte eine alternative Software zum SAS-System, die in SAS-Sprache geschriebene Anwendungsprogramme ausführen kann. Dieses „World Programming System“ bildet die Funktionalitäten der SAS-Komponenten nach und ermöglicht Nutzern des SAS-Systems, die für die Verwendung mit dem SAS-System entwickelten Skripte unter dem „World Programming System“ auszuführen.

Aus den Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich, dass WPL keinen Zugang zum Quellcode des Programms von SAS Institute hatte und den Objektcode dieses Programms nicht dekompiliert hat. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass WPL Teile des Textes oder des Strukturentwurfs dieses Quellcodes vervielfältigt hätte. WPL hat das Verhalten des Programms beobachtet, untersucht und getestet und auf dieser Grundlage unter Verwendung derselben Programmiersprache und desselben Dateiformats seine Funktionalität vervielfältigt.

SAS Institute wirft WPL unter anderem vor, die Benutzerhandbücher für das SAS-System vervielfältigt und dadurch nicht nur ihr Urheberrecht an diesen Handbüchern verletzt zu haben, sondern dadurch mittelbar die die SAS-Komponenten enthaltenden Computerprogramme vervielfältigt und so ihr Urheberrecht an den SAS-Komponenten verletzt zu haben. Weiters habe WPL eine „Learning Edition“ des SAS-Systems benutzt, und dadurch die Lizenzverträge sowie das Urheberrecht an dieser Version verletzt. Bei der Ausarbeitung ihres eigenen Benutzerhandbuchs habe WPL außerdem das Urheberrecht an den Handbüchern für das SAS-System verletzt.

Der EuGH hat entschieden:

  1. Die EU-Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Art 1 Abs 2, RL 91/250/EWG) ist dahin auszulegen, dass weder die Funktionalität eines Computerprogramms noch die Programmiersprache oder das Dateiformat, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, um bestimmte Funktionen des Programms zu nutzen, eine Ausdrucksform dieses Programms sind und daher nicht unter den Schutz des Urheberrechts an Computerprogrammen im Sinne dieser Richtlinie fallen.

  2. Der Erwerber einer Programmlizenz ist grundsätzlich berechtigt, das Funktionieren des Programms zu beobachten, zu untersuchen oder zu testen, um die ihm zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln.

  3. Werden in einem Computerprogramm oder in einem Benutzerhandbuch für dieses Programm bestimmte Elemente vervielfältigt, die im urheberrechtlich geschützten Benutzerhandbuch eines anderen Computerprogramms beschrieben werden, kann dies eine Verletzung des Urheberrechts am letztgenannten Handbuch darstellen. Voraussetzung dafür ist, dass die eigene geistige Schöpfung des Urhebers des urheberrechtlich geschützten Benutzerhandbuchs für das Computerprogramm wiedergegeben wird. Ob dies der Fall ist, muss das vorlegende britische Gericht prüfen.

(LexisNexis Rechtsredaktion, kp)

Autoren

782_632_LN_Logo_RGB_Primary_Full-Color_Positive.jpg

Redaktion

Die LexisNexis Österreich & Compliance Praxis-Redaktion versorgt Sie regelmäßig mit aktuellen News und Informationen aus der Compliance-Welt. Unser Ziel ist es, Ihre tägliche Arbeit bestmöglich zu ...