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Brüssel plant höhere Sicherheitsstandards für Offshore-Plattformen

Die EU-Kommission hat strengere Rechtsvorschriften vorgeschlagen, um die Umweltrisiken der europäischen Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasförderung zu minimieren.
Von Redaktion
28. Oktober 2011

In dem neuen Verordnungsentwurf werden klare Regeln festgelegt, die den gesamten Lebenszyklus aller Explorations- und Förderaktivitäten von der Konstruktion bis zur endgültigen Beseitigung einer Erdöl- oder Erdgasanlage umfassen. Geplant ist, dass die europäische Industrie unter der Aufsicht der nationalen Regulierungsbehörden die Sicherheitsstandards für Offshore-Aktivitäten regelmäßig bewertet und weiter verbessert. Dieser neue Ansatz soll zu einer europäischen Risikobewertung führen, die ständig dadurch verbessert wird, dass neue Technologien, neues Know-how und neue Risiken berücksichtigt werden. Mit ihm werden Pflichten für eine wirksame Verhütung schwerer Unfälle und für wirksame Notfallmaßnahmen eingeführt:

  • Lizenzen ‑ Die Lizenzvergabebehörden in den Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass nur Betreiber, die über ausreichende technische und finanzielle Kapazitäten verfügen, um die Sicherheit der Offshore-Aktivitäten und den Umweltschutz zu gewährleisten, zur Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas in den Gewässern der EU zugelassen werden.

  • Unabhängige Prüfer ‑ Die technischen Lösungen des Betreibers, die für die Sicherheit auf der Anlage kritisch sind, müssen vor der Lizenzerteilung und regelmäßig nach dem Betriebsbeginn der Anlage von einem unabhängigen Dritten überprüft werden.

  • Obligatorische Ex-ante-Notfallplanung ‑ Die Unternehmen müssen vor dem Beginn der Exploration oder der Förderung für ihre Anlage einen Bericht über die damit verbundenen ernsten Gefahren erstellen, der eine Risikobewertung und einen Notfallplan enthält. Diese Berichte müssen den nationalen Behörden vorgelegt werden, die, wenn sie mit diesen einverstanden sind, grünes Licht erteilen.

  • Inspektionen ‑ Unabhängige, für die Anlagensicherheit zuständige nationale Behörden überprüfen die Bestimmungen über Sicherheit, Umweltschutz und Notfallbereitschaft auf Bohrinseln und Plattformen sowie die Arbeiten darauf. Wenn ein Betreiber die Mindeststandards nicht einhält, ergreift die zuständige Behörde Maßnahmen für ihre Durchsetzung und/oder verhängt Sanktionen; letztendlich muss der Betreiber die Bohrungen oder die Förderung einstellen, wenn er den Anforderungen nicht nachkommt.

  • Transparenz ‑ Den Bürgern werden Informationen über das Sicherheits- und Umweltschutzniveau der Industrie und die Tätigkeiten der zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung gestellt, die sie vergleichen können. Die Informationen werden auf ihren Websites veröffentlicht.

  • Notfallmaßnahmen ‑ Die Unternehmen müssen Notfallpläne auf der Grundlage der Risikobewertungen für ihre Bohrinsel oder Bohrplattform ausarbeiten und Ressourcen vorhalten, um sie im Bedarfsfall umzusetzen. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen diese Pläne ihrerseits bei der Erstellung der nationalen Notfallpläne. Zu den Plänen finden regelmäßig Übungen der Industrie und der nationalen Behörden statt.

  • Haftung ‑ Öl- und Gasunternehmen haften uneingeschränkt für Umweltschäden, die sie an geschützten Meereslebewesen und Lebensräumen verursachen. Für Schäden an Gewässern wird jedoch die geografische Zone auf alle Meeresgewässer der EU ausgedehnt, einschließlich der ausschließlichen Wirtschaftszone (bis zu 370 km von der Küste entfernt) und des Festlandsockels, der der Rechtshoheit der Küstenmitgliedstaaten untersteht. Für Schäden an Gewässern ist der derzeitige EU-Rechtsrahmen für die Umwelthaftung auf die Hoheitsgewässer (Entfernung: ca. 22 km von der Küste) beschränkt.

  • Internationale Zusammenarbeit ‑ Die Kommission wird mit ihren internationalen Partnern zur Förderung der weltweiten Umsetzung der höchsten Sicherheitsstandards zusammenarbeiten.

  • EU-Gruppe der Offshore-Behörden ‑ Offshore-Inspektoren der Mitgliedstaaten werden zusammenarbeiten, um für einen wirksamen Austausch der besten Praktiken zu sorgen und zur Entwicklung und Verbesserung der Sicherheitsstandards beizutragen.

Hintergrund

Seit den 1970er Jahren werden in Europa Erdöl und Erdgas aus dem Meeresboden gefördert. Derzeit stammen mehr als 90 Prozent des Erdöls und mehr als 60 Prozent des Erdgases, die in der EU und Norwegen gefördert werden, aus der Offshore-Produktion. In den europäischen Gewässern sind mehr als 1.000 Offshore-Erdöl- oder ‑Erdgasanlagen in Betrieb. Während der Großteil der Produktion aus der Nordseeregion stammt und Erdöl überwiegend im Vereinigten Königreich und Norwegen gefördert wird, wächst das Interesse an der Förderung in allen EU-Offshore-Regionen.

Die Offshore-Branche in den verschiedenen Mitgliedstaaten arbeitet nach unterschiedlichen Umweltschutz-, Gesundheitsschutz- und Sicherheitsstandards. Bislang werden nicht alle Aspekte der Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasindustrie von den EU-Rechtsvorschriften erfasst und unterscheiden sich die nationalen Rechtsvorschriften stark von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Trotz der Reformen einiger Mitgliedstaaten nach Katastrophen in der Nordsee in den 1980er Jahren besteht in der EU nach wie vor ein erhebliches Risiko schwerer Unfälle. In den letzten 30 Jahren gab es weltweit mindestens 14 schwere Offshore-Katastrophen (wie Ausbrüche und Totalverlust der Förderplattformen), von denen sich fünf in den vergangen zehn Jahren ereignet haben. Die Folgen eines schweren Unfalls können extrem sein. Dazu gehören der Verlust von Menschenleben, schwere Umweltschäden und damit verbundene Schäden für Existenzen in Küsten- und Meeresgebieten. Ein Ereignis der Größenordnung der Katastrophe im Golf von Mexiko kann Schäden von 30 Mrd. EUR verursachen.

Quelle: EU-Kommission 

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Redaktion

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