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BWB: Expertentalk zu Online-Handel im Visier der Wettbewerbshüter

Am 21. April 2015 fand in Wien der 16. Competition Talk der Bundeswettbewerbsbehörde zum Thema „Online-Handel im Fokus der Wettbewerbsbehörden“ statt.
Von Redaktion
11. Mai 2015

Einführung: Enorme Mehrkosten durch Kartelle

Zu Beginn wies der Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Dr. Theodor Thanner, darauf hin, dass der Online-Handel ein finanzielles Volumen von ca. sechs Mrd. Euro hat und dadurch im Internet ein Preisvergleich bei verschiedenen Produkten ermöglicht wird. Macht man von dieser Möglichkeit auf einem der zahlreichen Preisvergleichsportale Gebrauch, so kommt man in vielen Fällen zu dem Ergebnis, dass manche Produkte denselben Preis haben. Diese Tatsache kann wettbewerbsrechtlich relevant sein. Auffällig ist zudem, dass es bei einem beispielhaften Produkt über einen Zeitraum von acht Monaten mehrfach eine Preisentwicklung nach unten gab, jedoch unmittelbar nach der Preissenkung der Preis wieder auf ein bestimmtes Niveau anstieg.

Der Generaldirektor schloss seine Einleitung mit dem Hinweis auf eine Studie des American Antitrust Institute, wonach illegale Kartelle in der EU dieselben Kosten wie die Versorgung sämtlicher EU-Haushalte mit Brot, Reis und Getreide für dreieinhalb Jahre verursachen. Mehrkosten für europäische Konsumenten in Höhe von 1,6 Billionen Euro seit 1990 stehen außerdem laut dem American Antitrust Institute lediglich 123 Milliarden an verhängten Bußgeldern gegenüber.

Rechtlicher Rahmen: Von Logo-Klauseln bis Trittbrettfahrer-Problematik

Der Erstredner war Mag. Martin Eckel, Rechtsanwalt in der internationalen Kanzlei TaylorWessing mit Spezialisierung unter anderem im Bereich des österreichischen Wettbewerbs- und Kartellrechts. Er begann sein Referat mit einem Hinweis auf die angekündigte Sektoruntersuchung der EU-Kommission im elektronischen Handel (s. Compliance-News vom 7.5.2015) http://www.compliance-praxis.at/News/Aktuell/Kartellrecht-Kommission-leitet-Sektoruntersuchung-zum-elektronischen-Handel-ein sowie die Tatsache, dass die Überlegungen im Bereich Online-Handel von einem Komplettverbot bis hin zu teilweisen Beschränkungen gehen.
In weiterer Folge thematisierte er die vielen kartellrechtlichen Themen im Zusammenhang mit dem Online-Handel. So ging er nach Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen zunächst auf die selektiven Vertriebssysteme im Lichte der vertikalen Leitlinien der EU-Kommission ein und wies darauf hin, dass die Leitlinien eine unterschiedliche Behandlung von Aktiv- sowie Passivverkäufen vorsehen.

Danach erklärte er die Begriffe „Logo-Klauseln“ sowie „Online-Marktplätze“. Bei Logo-Klauseln hob er hervor, dass das Landesgericht Frankfurt solche in einer jüngsten Entscheidung als nicht bindend ansah. In weiterer Folge erklärte Mag. Eckel den Begriff der „Bestpreisklauseln“ und deren stark wettbewerbsbeschränkende Wirkungen. Schließlich schloss er seine Ausführungen mit einer Darstellung der „Trittbrettfahrer-Thematik“, bei der sich Kunden im stationären Handel beraten lassen, jedoch online kaufen und wie die Lösung für daraus resultierende Probleme (z.B. in Form einer Beratungsprämie) aussehen könnte.

Situation in Deutschland

Eberhard Temme, Direktor des deutschen Bundeskartellamts, gab anschließend einen Überblick über die verschiedenen Fälle im Online-Handel und den Umgang des Bundeskartellamtes damit. In Deutschland gibt es im Online-Handel derzeit acht erwähnenswerte Verfahren, von denen sieben bereits beendet sind und eines noch anhängig ist. Die betroffenen Geschäftsbereiche reichten dabei von Hotelbuchungsplattformen über Sanitärarmaturen, Audioprodukten bis hin zu Haushalt- und Küchengeräten sowie Sportartikeln. Im Speziellen widmete sich Direktor Temme in seinen Ausführungen den Praktiken von Sportartikel-Herstellern, die durch Verkaufsverbote auf offenen Marktplätzen einen ganzen Vertriebskanal für Händler ausschlossen und vor allem für kleine und mittlere Unternehmen den Marktzugang erheblich erschwerten.

Aktivitäten der BWB

Im letzten Referat berichtete Mag. Ralph Taschke über die den Online-Handel betreffenden Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Die BWB konnte auf Basis einer anonymen Händlerbefragung zwei Hausdurchsuchungen beantragen und durchführen, bei denen umfangreiche Beweismittel sichergestellt wurden. Einerseits kam es zu klassischen vertikalen Preisbindungen (z.B. Vereinbarung von Wiederverkaufs- bzw. Mindestpreisen), andererseits zu einer Beschränkung des Absatzkanals Internet. Die bisher abgeschlossenen, rechtskräftigen Verfahren wurden im Rahmen eines Settlements nach der Abgabe von Anerkenntnissen durch die Unternehmen abgeschlossen und betrafen Produkte der Elektronikindustrie. Insgesamt wurden bisher vom Kartellgericht Geldbußen von 2,1 Mio. Euro in Österreich verhängt. Weitere Ermittlungen in anderen Branchen sind noch anhängig. Darüber hinaus wird derzeit ein möglicher Marktmissbrauch durch Bestpreisklauseln von Online-Hotelbuchungsplattformen geprüft.

(Quelle: BWB)

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