8. Compliance Netzwerktreffen: „Es tut sich was“
04. Februar 2013
Mag. Walter Geyer gab in seiner kurzen Keynote Speech bewusst keinen Rückblick auf seine Arbeit in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die er von 2009 bis Ende 2012 erfolgreich aufgebaut und geleitet hatte. Dies müsse alles „unter der dicken Decke der Amtsverschwiegenheit verborgen bleiben“, sagte Geyer. Denn nur in Österreich steht die Amtsverschwiegenheit in der Verfassung und wirkt seither wie ein „Hansaplast, das auf dem Mund des Staatsanwalts klebt.“
Ein persönlicher Befund
Statt einer Bilanz gab der Vortragende einen „höchstpersönlichen Befund“ ab, der da lautet: „Es tut sich etwas, das nicht mehr aufgehalten werden kann“: Zu den Phänomenen Korruptionsbekämpfung und Compliance habe sich eine neue und nicht mehr rückgängig zu machende gesellschaftliche Haltung entwickelt, nicht nur in Österreich. Belege dafür sind sich häufende Medienmeldungen über Strafen gegen große Unternehmen wegen Bestechung oder harte Maßnahmen gegen Banken wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Normen sind nicht die Lösung für alle Probleme
Bei der Bekämpfung von Korruption sind Normen für Geyer nur ein kleiner Teil der Lösung. Auch das für Österreich geschnürte Transparenzpaket werde Verstöße nicht ganz verhindern können. Normen haben ihre Grenzen: Je weiter die Grenze des Gesetzes verschoben wird, desto weiter bewegen sich auch jene, die das Gesetz brechen wollen. Ein Katz- und Maus-Spiel zwischen Straftätern und Strafverfolgern sei unvermeidlich.
Ein wesentlicher Grund dafür liegt nach Ansicht Geyers im allgemein vorherrschenden Bewusstsein in der Gesellschaft, für das er ein anschauliches Beispiel fand: In China wurde ein sechsjähriges Mädchen von einem Reporter gefragt, was es einmal werden wolle.
„Ich möchte Beamter werden“, antwortete das Mädchen.
„Was für ein Beamter?“, fragte der Reporter.
„Ein korrupter Beamter“, antwortete das Mädchen.
Schon ein sechsjähriges Mädchen könne also intuitiv erfassen, um was es in der Welt geht – um die Gier, so Geyer. Daher würden Normen immer ein wenig zu kurz greifen. Man könne nicht hinter jeden Politiker oder Mitarbeiter eines Unternehmens einen Staatsanwalt setzen.
Der typische Täter
Ein Ansatzpunkt zur Prävention von Compliance-Vorfällen sei jedoch der einzelne Mitarbeiter. Was zeichnet einen durchschnittlichen White-Collar-Kriminellen eigentlich aus? Studien haben ergeben, so Geyer, dass der durchschnittliche Täter:
a) männlich,
b) zwischen 35 und 45 Jahre alt und
c) überdurchschnittlich gut gebildet ist sowie
d) über ein ausgezeichnetes Fachwissen verfügt.
All diese Faktoren erschweren die Aufklärung von White Collar Crime. Der Täter verschleiert seine Tat. Er kennt die Beschränkungen jener, die ihm die Tat nachweisen wollen. Die wichtigsten Aufklärungsinstrumente bei derartigen Heimlichkeitsdelikten sind folglich anonyme Hinweisgeber, durch die 40 Prozent der Fälle ans Licht kommen. An zweiter Stelle steht schon der Zufall, wie ein fehlgeleitetes Mail oder schlicht Krankheit des Täters: Der Nachfolger schaut in die Bücher und findet Unregelmäßigkeiten.
Den Zufall könne man auch fördern, betonte Geyer. Studien zufolge steigt der Risikopegel für Compliance-Delikte ab einer dreijährigen Verweildauer in derselben Funktion. Rotation wäre also eine gute Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Compliance-Fällen zu senken. Mehr Kontrollen spielen hingegen bei der Betrugsaufklärung eine geringere Rolle, da sich die Täter auf Kontrollmechanismen einstellen können..
Wundermittel Transparenz
Wenn es ein generelles „Wundermittel“ gegen Korruption gebe, dann sei das die „Transparenz“, betonte Geyer, auch wenn das Wort niemand mehr hören könne. Als vorbildliches Beispiel dafür nannte er das Transparenzgesetz der Stadt Hamburg, das eine sehr weitgehende Informationspflicht der Behörde gegenüber den Stadtbewohnern vorsieht. Ab 2014 werden Hamburger Bürger ihrer Verwaltung über eine Internetplattform sehr genau auf die Finger schauen können. Veröffentlicht wird alles, von der Subvention bis zur Baugenehmigung.
Entsprechend dazu wäre es wichtig, die interne Transparenz auch in Betrieben zu verbessern, um Compliance-Verstöße zu verhindern, sagte Geyer abschließend.
Am anschließenden Netzwerktreffen nahmen unter anderem teil:
Dr. Britta Druml, Compliance Manager Novomatic AG; Mag. Anton Becker, Becker Law; Dr. Robert Eichler, Chief Compliance Officer OMV AG; Dipl.-Ing. Peter Fischer, Strabag SE; Dr. Johannes Freiler, Chief Compliance Officer Greiner Holding AG; Mag. Susanne Hetzer, Leiterin Recht und Immobilien Zielpunkt; Rechtsanwältin Dr. Bettina Hörtner; Dr. Johannes S. Schnitzer, Schnitzer Law; Mag. Andrea Scholz, Konzern-Compliance-Verantwortliche Österreichische Post AG; Generalanwalt Dr. Martin Ulrich, Generalprokuratur; LStA Mag. Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Außerdem die Herausgeber von Compliance Praxis Dr. Maximilian Burger-Scheidlin, Geschäftsführer der ICC Austria; Mag. Günter Fellner, Chief Compliance Officer Allianz AG; Dr. Aslan Milla, PricewaterhouseCoopers; DDr. Alexander Petsche, Baker & McKenzie • Diwok Hermann Petsche; Mag. Rudolf Schwab, MBA, Compliance-Verantwortlicher TA sowie LexisNexis-Verlagsleiterin Dr. Gerit Kandutsch.
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