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Compliance und Vorstandsvergütungen – ein „heißes Eisen“ in volatilen Zeiten

Zu den Aufgaben des Aufsichtsrates gehört es auch, die Vergütungsstrukturen im Vorstand festzulegen. Aus Compliance-Sicht ergibt sich dabei die Schwierigkeit, Anreizsysteme so zu designen, dass sie sowohl dem Gesetz entsprechen als auch die besten Kräfte an das Unternehmen binden. Intransparente, manipulationsanfällige Vergütungsstrukturen im Top-Management beinhalten hingegen Reputationsrisiken und können im Extremfall rechtliche Konsequenzen für die Gesellschaftsorgane nach sich ziehen.

03. März 2014 / Erschienen in Compliance Praxis 1/2014, S. 42

Betrachtungsgegenstand

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat Fehler und Versäumnisse in Unternehmen oftmals stärker hervortreten lassen, als es in „normalen“ Zeiten der Fall gewesen wäre. Im Laufe der Aufarbeitung dieser Fehler sind insbesondere die Vergütungen der Vorstände von in Schieflage geratenen Unternehmen ins Visier der öffentlichen Kritik geraten. Dass Diskussionen über solche sogenannten „Gehaltsexzesse“ weder der Reputation eines angeschlagenen Unternehmens dienlich sind, noch dazu beitragen, es in Ruhe und mit Bedacht wieder auf Vordermann zu bringen, leuchtet ein.

Umso wichtiger ist es, im Rahmen gelebter Compliance den Fokus verstärkt auf dieses sensible Thema zu richten. Es ist die Aufgabe eines verantwortungsvollen Aufsichtsrates, sich selbst mit den Vergütungsstrukturen seiner Vorstände auseinanderzusetzen und problematische, weil intransparente oder manipulationsanfällige Anreizsysteme zu erkennen bzw daraus resultierende Risiken besonders zu überwachen. Denn eine nicht angemessene, intransparente Vergütungsstruktur im Top-Management kann nicht nur zu Reputationsverlust führen, sondern kann in besonders krassen Fällen auch zu zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Folgen für die Gesellschaftsorgane und das Unternehmen selbst führen.

Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft hat gem § 95 AktG die Verpflichtung, die Geschäftsführung zu überwachen, eine Konkretisierung seiner Pflichten wurde für den Prüfungsausschuss in § 92 Abs 4 a AktG gesetzlich verankert. Der Aufsichtsrat hat gem § 99 iVm § 84 AktG bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.

Neben diesen Pflichten kommt dem Aufsichtsrat gemäß § 78 AktG auch die Kompetenz zu, die Vergütung des Vorstandes festzulegen und „dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen, anreizorientierte Vergütungszusagen und Nebenleistungen jeder Art) in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des einzelnen Vorstandsmitglied, zur Lage der Gesellschaft und zu der üblichen Vergütung stehen und langfristige Verhaltensanreize zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung setzen.“

Compliance in diesem Bereich muss daher bedeuten, ex ante Vergütungssysteme zu entwickeln, zu etablieren und zu überwachen, die den gesetzlichen Bestimmungen gerecht werden und trotzdem dazu beitragen, die besten Köpfe für das Unternehmen langfristig zu binden. Insbesondere das Kriterium der „Angemessenheit“ wird in der Praxis schwierig zu evaluieren sein. Um dem Ziel einer „angemessenen“ Vergütung gerecht zu werden, wird es notwendig sein, sowohl die HR-Abteilung als auch die Risikomanagement- und Finanzabteilungen des Unternehmens in die Entwicklung solcher Systeme einzubinden, gegebenenfalls muss der Aufsichtsrat auf die Leistungen externer Berater sowie auf die Fallstudien darauf spezialisierter Institute zurückgreifen.

In diesem Sinne heißt es auch in der Empfehlung der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor vom 30. April 2009:

(19) Das Leitungsorgan des Finanzinstituts sollte letztendlich für die Festlegung der Vergütungspolitik für das gesamte Finanzinstitut verantwortlich zeichnen und ihre Umsetzung überwachen. Um den erforderlichen Sachverstand zu gewährleisten, sollten die Kontrollabteilungen und gegebenenfalls die Personalabteilungen sowie Experten in den Prozess eingebunden werden. Vor allem die Kontrollabteilung sollte an der Konzeption und der Überprüfung der Umsetzung der Vergütungspolitik beteiligt sein und ihre Mitglieder sollten angemessen bezahlt werden, so dass talentierte Kräfte angeworben werden und ihre Unabhängigkeit von den Geschäftsabteilungen, die sie kontrollieren, gewährleistet ist. Der Abschlussprüfer sollte im Rahmen seiner aktuellen Meldepflichten dem Verwaltungsrat/Aufsichtsrat oder dem Rechnungsprüfungsausschuss jegliche erheblichen Schwächen melden, die bei der Überprüfung der Umsetzung der Vergütungspolitik festgestellt wurden.“

Die hier dargelegten allgemeinen Grundsätze: übergreifende Gesamtanalyse der Problemstellung, intaktes IKS, unbedingte Unabhängigkeit der Kontrollorgane, geeignete Berichtslinien und eine unabhängige Abschlussprüfung sollten umso mehr bei der Frage nach der Angemessenheit der Vorstandsvergütungen beachtet werden.

Die gesetzliche Regelung in § 78 AktG

§ 78 AktG definiert zum einen beispielhaft die Bestandteile der Gesamtbezüge, zum anderen werden folgende Kriterien ausformuliert:

  • Angemessenheit im Verhältnis zu den Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds,

  • Angemessenheit im Verhältnis zu den Leistungen des einzelnen Vorstandsmitglieds,

  • Angemessenheit in Hinblick auf die Lage der Gesellschaft,

  • Angemessenheit im Verhältnis zur üblichen Vergütung,

  • langfristige Verhaltensanreize zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung.

Der Gesetzgeber lässt durch die Fülle der unbestimmten Rechtsbegriffe einen weiten Spielraum. Die Kehrseite ist, dass dieser weite Spielraum auch zu erhöhter Sorgfalt und Überwachung gemahnt. Insbesondere die variablen Vergütungen stehen hier im Fokus, einerseits Short Term Incentives (Boni, Tantiemen, Gewinnbeteiligungen, die an kurzfristige, zumeist hoch aggregierte Unternehmenskennzahlen gekoppelt sind), andererseits Long Term Incentives, die dazu dienen sollen, das Management am langfristigen Unternehmenserfolg durch begünstigten Erwerb von Aktien, Aktienoptionen oder Phantom-Share-Modelle teilhaben zu lassen und damit für das Unternehmen wertvolle und motivierte Führungskräfte zu binden.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 78 AktG nF wurde unter anderem ausgeführt, dass „die Finanzkrise deutlich gemacht hat, dass kurzfristig ausgerichtete Vergütungsinstrumente dazu führen können, dass das nachhaltige Wachstum eines Unternehmens aus den Augen verloren wird. Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen die Kriterien der Angemessenheit weiter konkretisiert und im Hinblick auf die Kriterien der Langfristigkeit der Anreize und der Nachhaltigkeit des Vorstandshandelns fortentwickelt werden. Falsche Anreize in der Vergütungsstruktur wie eine unangemessene kurzfristige Erfolgsorientierung oder eine zu hohe Risikofreudigkeit sollen nun auch gesetzlich verhindert werden. Als neues Kriterium wird ‚die Leistung des Vorstandsmitgliedes‘ eingefügt. Ferner ist durch die Bezugnahme auf die ‚übliche Vergütung‘ bei der Festsetzung der Gesamtbezüge auf das Vergleichsumfeld abzustellen. Damit sind die Branchen-, Größen- und Landesüblichkeit sowie das Lohn- und Gehaltsgefüge im Unternehmen (Vertikalität) gemeint. Zusätzlich wird dem Aufsichtsrat vorgegeben, mit den eingesetzten Vergütungsinstrumenten, insbesondere mit den performanceabhängigen, variablen Elementen, ‚langfristige Verhaltensanreize‘ zu setzen. Dies bedeutet, dass beispielsweise Gratifikationen und Boni nicht so angelegt sein sollen, dass die Erfüllung ihrer Parameter nur zu einem Stichtag (z.B. Jahresende) von den Begünstigten etwa durch Aufblähung des Auftragsvolumens angestrebt wird und nachfolgende Verschlechterungen der Parameter für die Vergütung ohne Folgen bleiben. Der Aufsichtsrat hat demnach auch darauf zu achten, dass an Bilanzparametern ausgerichtete erfolgsabhängige Vergütungen nicht durch außerordentliche Gewinne (z.B. Beteiligungsverkäufe) oder volatile Buchgewinne aufgebläht werden können.“

Regelungen im ÖCGK idF Juli 2012

C-Regel 27 des ÖCGK idF Juli 2012 konkretisiert die Frage nach der Angemessenheit der Vorstandsvergütungen dahingehend, dass variable Bestandteile insbesondere an nachhaltige, langfristige und mehrjährige Leistungskriterien anknüpfen sollen, auch nicht-finanzielle Kriterien einbeziehen und nicht zum Eingehen unangemessener Risiken verleiten sollen. Solche nicht-finanzielle Kriterien können zum Beispiel Kundenzufriedenheit, Produktqualität, Reputation, Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeiterweiterbildung oder die Einhaltung von Umweltstandards sein.

Auf persönlicher Ebene kommt auch compliance-konformes Verhalten als Parameter in Frage, zu denken wäre beispielsweise an die fehlerfreie Erfüllung von Dokumentationserfordernissen. Eine genaue Definition der Zielparameter ist hier genauso wichtig wie die Überlegung, welche Auswirkungen Änderungen in Strategie und Risikomanagement auf die Vergütungsstruktur haben und ob es durch geänderte Unternehmenspolitik zu Änderungen der Vergütungspolitik kommen muss, um eine Angemessenheit weiter zu garantieren.

Weiters sind für variable Vergütungskomponenten messbare Leistungskriterien sowie betragliche oder als Prozentsatz der fixen Vergütungsteile bestimmte Höchstgrenzen im Voraus festzulegen. Diese sollen auch rückforderbar sein, wenn sich herausstellt, dass sie auf Grundlage von offenkundig falschen Daten ausgezahlt wurden (was lediglich eine Erinnerung an sowieso bestehende Schadenersatzforderungen in solchen Fällen ist).

C-Regel 28 legt weiters fest, dass Stock Option Programme oder ein Programm für die begünstigte Übertragung von Aktien an vorher festgelegte, messbare, langfristige und nachhaltige Kriterien anzuknüpfen haben und ein angemessener Eigenanteil an Aktien des Unternehmens zu halten ist.

Offenlegung der Vorstandsvergütung sowie der Vergütungspolitik

Korrelierend regelt § 243 b Abs 2 Z 3 UGB, dass die Gesamtbezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds und die Grundzüge der Vergütungspolitik im Corporate Governance-Bericht börsenotierter oder kapitalmarktorientierter Aktiengesellschaften zu veröffentlichen sind, und zwar unabhängig davon, ob sich die Gesellschaft zum österreichischen, zu einem anderen oder zu gar keinem Kodex bekennt. Die nunmehr im Rahmen der Geschäftsberichte erstellten und offengelegten Vergütungsberichte geben aufschlussreiche Vergleichsmöglichkeiten zu den Vergütungssystemen der Mitbewerber und sollten unbedingt im Rahmen einer externen Vergleichsprüfung mit herangezogen werden.

Die Offenlegung vor allem der Long Term Incentive-Programme wirken auch dem Problem entgegen, Vergütungszusagen nicht nachweisen zu können. Dieses Problem hat sich in der Vergangenheit immer wieder ergeben, wenn langfristige Vergütungszusagen nicht ausreichend dokumentiert, aus Angst vor Neidreflexen der unteren Führungsebenen unternehmensintern nicht offengelegt oder gar nur mündlich zwischen Aufsichtsrat und Vorstand vereinbart wurden.

Zum Angemessenheitskriterium der Leistung des einzelnen Vorstandsmitglieds

Hier ist auf den Umfang des tatsächlichen Aufgabengebietes, auf den Umfang seiner internen Verantwortung, seine persönliche Leistung sowie auf die Erreichung von – im Vorhinein definierten – Zielvorgaben abzustellen. Es sollen nur solche Erfolge der Gesellschaft besonders abgegolten werden dürfen, die aufgrund des individuellen Einsatzes kausal erwirtschaftet wurden.

Da es um dem Vorstandsmitglied kausal zurechenbare Leistungen geht, dürfen sogenannte „windfall profits“ der Gesellschaft bei der individuellen Bemessung des Vorstandsgehalts nicht berücksichtigt werden. Hier ist beispielsweise an Gewinne zu denken, die durch die unerwartete Steigerung der Marktpreise für bereits erzeugte Güter entstanden sind. Unter „windfall profits“ fallen auch Gewinne, die durch die überraschende Wertsteigerung von Grundstücken infolge ihrer Umwidmung in Bauland erzielt wurden. Generell dürfen nur aufgrund bilanzieller Aufwertung entstandene Gewinne bei einer Bemessung der Vergütung nicht berücksichtigt  werden.1

Die (deutsche) Hans Böckler Stiftung weist in ihrer Studie „Entwicklung der Vorstandsvergütung 2011 in den DAX-30-Unternehmen“ für Deutschland ein durchschnittliches Verhältnis von 30:70 zwischen dem Anteil an fixer zu variabler Vergütungskomponente aus. Das Verhältnis ist – soweit feststellbar – im österreichischen Durchschnitt ähnlich gelagert.

Legt der Aufsichtsrat Ziele fest, bei deren Erreichung eine variable Vergütung zur Auszahlung kommt, so kommen grundsätzlich drei Arten in Frage:

  • Finanzielle Ziele – abhängig von finanziellen Kennzahlen des Unternehmens; diese Form der Zieldefinition stellt noch immer die häufigste Messlatte dar. Zur Anwendung kommen vor allem Ergebniskennzahlen wie EBIT, EBITDA sowie Rentabilitätskennzahlen wie ROCE und der Cash Flow.

  • Qualitative Ziele – diese lassen sich nicht in finanziellen Kennzahlen messen, sondern betreffen beispielsweise die Kundenzufriedenheit, die Mitarbeiterzufriedenheit, strategische Ziele, Effizienz wie etwa die Minimierung des Wartungsstillstandes oder Ziele im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit.

  • Persönliche Ziele – diese berücksichtigen nicht nur die Entwicklung des Unternehmens, sondern auch die Zielvorgaben an das Vorstandsmitglied.

Die finanziellen Kennzahlen lassen sich unmittelbar aus den Geschäftsberichten eines Unternehmens ableiten. Da die Vergütungen der Vorstände in einer immer globaler werdenden Welt zumeist am Konzernergebnis gemessen werden, ist es besonders relevant, sich als Aufsichtsrat darüber bewusst zu werden, welche Bestandteile des Konzernergebnisses in die Bemessungsgrundlage einfließen sollen. Insbesondere Aufwertungsgewinne, die eine IFRS-Bilanzierung zulässt, sind kritisch dahingehend zu hinterfragen, ob sie in kausalem Zusammenhang mit den Leistungen des Vorstandsmitglieds stehen.

Weiters sind Gratifikationen, die bei Überschreiten eines Schwellenwertes an einem bestimmten Stichtag fällig werden, zu vermeiden, da hier einerseits eine große Verlockung besteht, den Schwellenwert für diesen Stichtag durch Bilanztricks „hinzutrimmen“, andererseits durch die Stichtagsbetrachtung ein „fleißiger“ Vorstand um seine Prämie umfallen kann. Dies kommt auch in den Gesetzesmaterialien (siehe oben) zum Ausdruck.

Der Aufsichtsrat hat sich also im besonderen Maß zu überlegen, von welchen Parametern die von ihm gewählte Kennzahl abhängt und welche besonderen Überwachungsrisiken sich daraus ergeben. Hier sei nochmals besonders auf die Ausführungen zu den Erläuterungen der Regierungsvorlage hingewiesen.

Bei Unternehmen, die den NAV als Kennzahl für die Bemessungsgrundlage der Vergütungen miteinbeziehen, wird in besonderem Ausmaß darauf Augenmerk zu legen sein, ob die zu Grunde liegenden Be- bzw Aufwertungen methodisch richtig festgestellt wurden und inhaltlich richtig sind. Weiters ist zu hinterfragen, ob die Aufwendungen auf Holding-Ebene im NAV berücksichtigt sind.

Bei Bemessungsgrundlagen auf Basis von Ergebniskennzahlen sind folgende Malversationen denkbar, die oft im Zusammenhang mit dolos generierten variablen Vergütungen stehen:

  • falscher Periodenausweis;

  • Tauschvorgänge zu überhöhten Preisen;

  • Karussellgeschäfte;

  • Auslagerung von „Investitionen“ oder nicht profitablen Unternehmensteilen auf nicht konsolidierte Unternehmen, wodurch Abschreibungen vermieden werden und Umsatzerlöse dargestellt werden;

  • Vorverlagerung zukünftiger Umsätze, zB durch Vordatierungen von Kaufverträgen und Rechnungen;

  • Unterlassen von Rückstellungsbildungen und Abwertungen, Auslagerung risikobehafteter Geschäftsteile auf eine Special Purpose Entity, die nicht konsolidiert ist;

  • Umsatzgenerierung durch Scheinrechnungen. Hier sollte bei bestimmter Höhe bzw bestimmtem Leistungsinhalt strikt nach dem Vier-Augen Prinzip vorgegangen werden. Zudem hilft es oft, bei auffälligen Rechnungen genaue Firmenbuchabfragen zu machen und etwa den Firmensitz mit der Adresse anderer für das Unternehmen Rechnung legender „Firmen“ zu vergleichen. Manchmal ergibt eine solche Abfrage auch eine Vielzahl weiterer Firmen an der angegebenen Adresse, was für eine reine Briefkastenfirma sprechen könnte. Auch wurden Scheinrechnungen schon aufgedeckt, indem ein Vergleich des verwendeten Briefpapiers eine auffallende Ähnlichkeit mit jenem eines anderen Kreditors ergab.

Bei Bemessungsgrundlagen aufgrund von Renditekennzahlen muss insbesondere an die Möglichkeit gedacht werden, dass die ausschließlich bilanzielle Verringerung der Verbindlichkeiten und dadurch auch der Fremdkapitalkosten Auswirkungen auf die gewählten Kennzahlen haben kann. Die Frage der Kapitalstruktur als Bemessungsgrundlage bei der Vorstandsvergütung stellt sich aber auch bei Banken, die die Erhöhung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelquoten als Zielvorgaben wählen.

Beispiele hierfür sind:

  • Die Auslagerung von Verbindlichkeiten in nicht konsolidierte SPEs in Verbindung mit umfangreichen Haftungsfreistellungen, die ihrerseits bei der garantiegebenden Konzerngesellschaft nicht bilanziert werden, uU in Kombination mit der Aufnahme weiterer Bankkredite in den SPEs aufgrund dieser Garantien;

  • Verstöße gegen Saldierungsverbote.

Bei Unternehmen mit hoher Forschungsquote und/oder hohem Investitionsbedarf ist eine reine Orientierung an ergebnisorientierten oder am Cashflow orientierten Kennzahlen für die Bemessung der Vergütung nicht zielführend. Durch höhere Abschreibungen und mitunter Projekte, deren Rentabilität sich erst auf lange Zeit herausstellt, würde der „weitsichtige“ Vorstand durch die Reduktion der Bemessungsgrundlage bestraft und die Wettbewerbsposition und Marktfähigkeit in neuen Segmenten dadurch behindert.

Das Gegenteil wären Vergütungssysteme, die ausschließlich auf den investierten Gesamtkosten neuer Projekte basieren. Hier besteht die Gefahr, dass es zu überteuerten Investitionen kommt, deren Überprüfung auf Rentabilität und Marktreife „zu kurz“ kommt.

Auch hinsichtlich der Vergütungssysteme bei Long Term Incentives gibt es Modelle, über deren Auswirkungen sich der Aufsichtsrat genau bewusst sein sollte. Beispielsweise ist die Kopplung einer variablen Vergütung an eine Überrendite im Vergleich zu einer Peer Group in bestimmten Fällen als problematisch anzusehen, nämlich dann, wenn nicht der Kurs der Aktie des eigenen Unternehmens überproportional gestiegen ist, sondern der der Peer Group aufgrund von – nicht dem Trend der Entwicklung der Gesamtwirtschaft entsprechenden – Einzelereignissen gesunken ist.2

Fazit

Besonders Unternehmen, die sich am Kapitalmarkt refinanzieren und von einer Publikumsaktionärsstruktur geprägt sind, stehen bei der Vergütung ihres Managements besonders im Lichte der Öffentlichkeit. Langsam greift die Überzeugung, dass Transparenz und Offenlegung – nicht nur in Krisenzeiten – sowie ex ante konkret determinierte Vergütungsstrukturen mit klar definierten Zielen zur Publikumsakzeptanz andernfalls als „überzogen“ oder als „Abzocke“ empfundener Vorstandsvergütungen beitragen. Hier ist es Aufgabe der Compliance-Abteilungen, im Rahmen der Risikoanalyse jene Parameter zu definieren, die sich aus den spezifischen Risiken des jeweiligen Geschäftsmodelles ergeben und die bestehenden Vergütungssysteme einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Wichtig ist es, zu beachten, dass das Thema Vorstandsvergütung kein „Stand-Alone-Thema“ des Aufsichtsrates oder der HR-Abteilung ist, denn falsche Vergütungssysteme nehmen direkten Einfluss auf die Risikoaffinität bzw -aversion der handelnden Personen. Gesamtvernetztes Denken und die genaue Kenntnis der bzw Verständnis für die angewendeten Kennzahlen, die als Zielparameter verwendet werden, ist unumgänglich. Neben genauer Kenntnis und laufender Kontrolle der eigenen Unternehmensabläufe und -entwicklung sind ein externer Vergleich sowie der Blick in die forensische Literatur oft hilfreich, um Schwachstellen im eigenen Unternehmen aufzudecken und dadurch Risiken zu vermeiden.

Fußnoten

  1. Eigner, Neue Regeln zur Vorstandsvergütung und zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats, GesRZ 2012, 208.   ^
  2. Siehe hierzu Hermann J. Stern, Wenn die Vergütung das Risiko erhöht, ohne die Leistung zu steigern, CFOaktuell 2013, 205.   ^

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