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Schulungen gestalten – Compliance verankern

Neben der Weitergabe von Informationen ist es ein primäres Ziel von Schulungen, Mitarbeiter von den Inhalten der Compliance zu überzeugen. Informationen können im Rahmen elektronischer Schulungen vermittelt werden, persönliche Einstellungen werden besser in Präsenzveranstaltungen angesprochen.
Von Dipl.-Kfm. Thomas Schneider
12. Januar 2017

Viele Compliance Officer halten die Chance, bei Mitarbeitern im Rahmen zeitlich befristeter Veranstaltungen Überzeugungen zu verändern und zu verankern, für sehr gering. Dabei ist das durchaus möglich, wie zumindest eine Untersuchung zeigt, die Robert Cialdini in seinem Buch „Pre-Suasion“ zitiert*: Zur US-Präsidentenwahl 2008 wurde eine Online-Wählerbefragung durchgeführt, wobei sich die Teilnehmer zwischen Barak Obama und John McCain entscheiden sollten. Auf der Hälfte der Fragebögen war in der oberen linken Ecke ein kleines Sternenbanner gedruckt, auf der anderen nicht. Amerikaner verbinden die Flagge tendenziell mit konservativer politischer Ideologie, wie sie John McCain vertrat. Entsprechend fielen die Stimmen für John McCain bei den Flaggen-Fragebögen deutlich höher aus. Das bemerkenswerte war allerdings, dass sogar acht Monate nach der Wahl bei den Teilnehmern immer noch die Bevorzugung der Republikaner deutlich war. Dass ein kurzer Blick auf die Flagge so nachhaltig die Einstellung verändert, ist unwahrscheinlich.

Allerdings sollten die Teilnehmer handeln, etwas mit ihrer Neigung anfangen, sich bekennen, indem sie auf dem Fragebogen einen Kandidaten ankreuzten. Um Verpflichtungen dauerhaft zu verankern, müssen diese mit darauf bezogenen Aktionen verknüpft werden.

Diese Möglichkeiten kann jeder Compliance Officer im Rahmen seiner Schulungen schaffen. Der Autor verfolgt folgenden Ansatz: Im Rahmen der Präsenzschulungen werden den Teilnehmern verschiedene Entscheidungssituationen vorgelegt und mögliche Entscheidungsregeln wie das „Bauchgefühl“, gesetzliche Regelungen, der kategorische Imperativ oder der Utilitarismus vorgestellt.

Auf Fragebögen kreuzen die Teilnehmer jeweils „richtig“ und „falsch“ für die verschiedenen Entscheidungssituationen und -regeln an. Am Ende des Bogens schreiben die Teilnehmer dann kurz auf, welche Entscheidungsregel sie für die beste halten. Vorab wird bekannt gegeben, dass die Bögen nicht eingesammelt, ausgewertet und kommentiert werden, es allerdings eine Diskussion geben wird, an der sich jeder beteiligen kann.

Widerspruch ist dabei möglich, ja zu erwarten. Denn kaum ein Mensch ist mit allen Gesetzen, so wie sie sind, voll und ganz einverstanden: Wo dem einen Vorgaben zu restriktiv sind, unterstellt ein anderer dem Gesetzgeber Nachlässigkeit.

Dieses Spannungsverhältnis wird in der Schulung ganz bewusst nicht bagatellisiert, sondern offen angesprochen. Dabei gilt es, den Primat der Politik bzw. des Gesetzgebers über die Wirtschaft transparent zu machen – in einer demokratischen Gesellschaft können und sollen aber auch Mitarbeiter in Unternehmen ihre Meinung zu Vorgaben frei äußern und zur Diskussion stellen dürfen.

Die Überzeugungsarbeit des Compliance Officers, dass regelkonformes Verhalten sinnvoll und notwendig ist, kann nur in diesem Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Normvorgaben und den Einstellungen der Normunterworfenen dazu wirkungsvoll und erfolgreich sein.

Erst dieser diskursive Prozess erfüllt die von Cialdini geforderte Prämisse, dass nur eine Verpflichtung dauerhaft beim Mitarbeiter verankert wird, die dieser aktiv und freiwillig eingeht.

* Robert Cialdini: Pre-Suasion, Wie Sie bereits vor der Verhandlung gewinnen. Campus Verlag, Frankfurt a. Main, 2017, S. 260 - 263.

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Dipl.-Kfm. Thomas Schneider

Dipl.-Kfm. Thomas Schneider verantwortet seit 2021 die Interne Revision und Corporate Compliance eines Lebensmittelgroßhändlers. Zuvor war er in der Internen Revision eines Herstellers von Investit...