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OGH: Befreiung von Prospektpflicht durch Disclaimer?

Erste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage einer zulässigen Beschränkung eines im Internet veröffentlichten Angebots (OGH 20. 1. 2015, 4 Ob 164/14t).
Von Redaktion
20. März 2015

Für die Ausübung eines Rücktrittsrechts nach dem Kapitalmarktgesetz (§ 5 KMG) durch einen Anleger ist eine Voraussetzung die unterlassene Veröffentlichung eines Prospekts bei einem öffentlichen Angebot mit Prospektveröffentlichungspflicht. Vom Begriff des öffentlichen Angebots sind nur Mitteilungen erfasst, mit denen (auch) Anleger in Österreich angesprochen werden. Es kommt dabei nicht darauf an, von welcher Stelle die Angebote ausgehen, sondern darauf, ob damit Personen in Österreich angesprochen werden sollen. Bei Verwendung des Internet kommt es darauf an, ob damit Anleger in Österreich angesprochen werden sollen; der Standort des Servers ist nicht relevant.

Der Anbieter kann durch einen sogenannten Disclaimer einen Hinweis geben, wer Adressat des Angebots ist. Diese bei Emissionen weit verbreiteten Disclaimer dienen der Abgrenzung des Adressatenkreises, indem beispielsweise Investoren aus einem bestimmten Land vom Angebotskreis ausgenommen werden. Dies kann auch für österreichische Investoren gelten, wobei jeweils die Gesamtumstände der Mitteilung zu berücksichtigen sind.

Der Disclaimer ist eine anerkannte Maßnahme gemäß EU-Prospektverordnung (EU-ProspV), falls er nicht allein der Umgehung der inländischen Prospektpflicht dient. Indizien für das Zielpublikum sind in erster Linie die Sprache des jeweiligen Landes und der Hinweis auf dort ansässige Ansprechpartner, Abwicklungs- und Zahlstellen oder Hinweise auf dort geltende Steuerregularien oder -sparmodelle. Weist das Angebot alle diese inhaltlichen Bezüge zu dem betreffenden Land auf, kann die Prospektpflicht in diesem auch durch einen Disclaimer nicht wirksam ausgeschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Disclaimer die Anforderungen aus Art 29 EU-ProspV erfüllt.

Liegen dagegen keine oder nur einige der vorgenannten Indizien vor, kann sich der Anbieter durch einen entsprechenden Disclaimer von der Prospektpflicht im betreffenden Land befreien. Bei Zeichnung über die Internetseiten wäre eine Maske denkbar, in der zeichnungswillige Anleger nach ihrem Herkunftsland gefragt und die Anfrage nicht weiter bearbeitet wird, wenn eines jener Länder dort eingegeben wird, auf die sich das Angebot nicht beziehen soll. Eine Pflicht des Anbieters zur Überprüfung falscher Angaben Zeichnungswilliger besteht nicht.

(Quelle: LexisNexis Rechtsredaktion)

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