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Nach PIP-Skandal: EU fordert Mitglieder zu verschärften Kontrollen auf

Der für Gesundheit und Verbraucher zuständige EU-Kommissar John Dalli hat die EU-Mitgliedstaaten aufgerufen, für Medizinprodukte geltende Gesetze strenger umzusetzen. Im Sommer will Brüssel eine überarbeitete Fassung der entsprechenden Vorschriften vorlegen.
Von Redaktion
13. Februar 2012

Brüssel fordert von den Mitgliedstaaten unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die „uneingeschränkte und strikte Anwendung der für Medizinprodukte geltenden Rechtsvorschriften durchzusetzen“.

Anlass für das Schreiben des zuständigen EU-Kommissars John Dalli an seine Ressortkollegen in den Mitgliedstaaten ist der sogenannte PIP-Skandal: Der französische Brustimplantate-Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) hatte nicht medizinisches Silikon in Brustimplantaten verwendet. In der Folge war es weltweit bei betroffenen Frauen zu frühzeitigen Brüchen der Implantate gekommen – mit teilweise schweren gesundheitlichen Folgen.

Sofortmaßnahmen

Kommissar Dalli schlägt in seinem Schreiben unter anderem folgende Maßnahmen vor:

  • Überprüfung der Benennung der zuständigen Stellen, um sicherzustellen, dass sie nur zur Bewertung von Medizinprodukten und -technologien benannt werden, für die sie nachweislich über Erfahrungen und Kompetenz verfügen.

  • Sicherstellung, dass alle benannten Stellen (mehr dazu im Kasten) im Rahmen der Konformitätsbewertung alle Befugnisse ausschöpfen, die ihnen nach den geltenden Gesetzen verliehen wurden; dazu gehört auch die Befugnis, unangekündigte Inspektionen durchzuführen.

  • Verstärkung der Marktüberwachung durch einzelstaatliche Behörden, insbesondere Stichproben bei bestimmten Arten von Produkten.

  • Verbesserung der Funktionsweise des Vigilanzsystems für Medizinprodukte, beispielsweise indem benannte Stellen systematischen Zugang zu Meldungen unerwünschter Wirkungen erhalten, Beschäftigte des Gesundheitswesens und Patienten dazu ermutigt und in die Lage versetzt werden, unerwünschte Wirkungen zu melden, und indem die Analyse gemeldeter Zwischenfälle besser koordiniert wird, um Expertenwissen gemeinsam zu nutzen und notwendige Abhilfemaßnahmen zu beschleunigen.

  • Unterstützung der Entwicklung von Instrumenten zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten ebenso wie die langfristige Überwachung ihrer Sicherheit und Leistung, z.B. durch die Kennzeichnung mit einmaligen Produktnummern und durch Implantatregister.

Weitere Schritte

Neben dem oben genannten Plan für Sofortmaßnahmen unternimmt die Europäische Kommission folgende Schritte:

  • Sie hat den Wissenschaftlichen Ausschuss1 beauftragt, eine eingehendere Untersuchung über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen mangelhafter Silikon-Brustimplantate anhand von Daten aus den Mitgliedstaaten durchzuführen, um über die Gesundheitsrisiken mehr Gewissheit zu erlangen.

  • Sie arbeitet weiter an der Überarbeitung der Rechtsvorschriften für Medizinprodukte, die im Laufe des nächsten halben Jahres angenommen werden sollen und die den Ergebnissen eines „Stresstests“ Rechnung tragen, in dem die im PIP-Fall zutage getretenen Mängel untersucht werden.

In einem zweiten Schritt will die Kommission auch die Rechtsvorschriften zu Überwachung von Medizinprodukten verschärfen. Kommissar Dalli dazu: „Gleichzeitig werden wir die Lehren, die wir aus dem PIP-Fall ziehen, in die bevorstehende Überarbeitung der Rechtsvorschriften für Medizinprodukte einfließen lassen. Diese sollen noch vor dem Sommer vorgelegt werden. Vor allem werden wir die Rechtsvorschriften in Bezug auf die Marktüberwachung, die Vigilanz und die Arbeit der benannten Stellen verschärfen.“

Hintergrund

Brustimplantate fallen unter die EU-Rechtsvorschriften für Medizinprodukte. Diesen Vorschriften zufolge müssen die Hersteller, bevor sie solche Produkte auf den Markt bringen, eine Bewertung durchführen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte alle einschlägigen rechtlichen Anforderungen erfüllen und insbesondere, dass ihre Produkte die Patientensicherheit nicht gefährden. Bei Hochrisikoprodukten, wie Brustimplantaten, ist eine dritte akkreditierte Konformitätsbewertungsstelle, die „benannte Stelle“, am Bewertungsverfahren beteiligt. Im vorliegenden Fall hat eine Ermittlung, die von einer ungewöhnlich hohen kurzfristigen Bruchrate der Brustimplantate ausgelöst wurde, gezeigt, dass ein Hersteller (das Unternehmen Poly Implant Prothèse) in betrügerischer Weise Industriesilikon anstatt des zugelassenen medizinischen Silikonprodukts verwendet hatte. Das Produkt wurde 2010 in der EU vom Markt genommen.

(PM, kp)

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Redaktion

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