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Land-Enteignungen: Ungarn hat EU-Grundrechte verletzt

Ungarn hat durch die Löschung der Nießbrauchsrechte, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten an landwirtschaftlichen Flächen in Ungarn innehaben, gegen seine Verpflichtungen aus dem freien Kapitalverkehr und dem durch die Charta garantierten Eigentumsrecht verstoßen.
Von Redaktion
13. Juni 2019

Im Jahr 2013 erließ Ungarn eine Regelung, wonach Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen in Ungarn nur zu Gunsten von Personen eingeräumt werden oder bestehen bleiben können, die zum Eigentümer in einem nahen Angehörigenverhältnis stehen. Diese Regelung sah mit Wirkung vom 1. Mai 2014 das Erlöschen von Nießbrauchsrechten vor, die zugunsten von juristischen Personen oder von natürlichen Personen ohne ein solches nahes Angehörigenverhältnis zum Eigentümer bestellt worden waren.

Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet

Mit seinem Urteil vom 6. März 2018 in zwei verbundenen Vorabentscheidungssachen hat der Gerichtshof entschieden, dass die fragliche Regelung eine ungerechtfertigte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt. Im Rahmen des vorliegenden Vertragsverletzungsverfahrens beantragt die Kommission die Feststellung, dass Ungarn durch die genannte Regelung sowohl gegen den Grundsatz des freien Kapitalverkehrs als auch gegen Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der das Eigentumsrecht betrifft, verstoßen hat.

Mit seinem Urteil vom 21. Mai 2019 stellt der Gerichtshof fest, dass das Erlöschen von Nießbrauchsrechten, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten innehaben, eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Kapitalverkehrs darstellt.

Ungarns Rechtfertigung, landwirtschaftliche Flächen den Personen, die sie bewirtschaften, vorbehalten bzw. Spekulation verhindern zu wollen, erkennt der EuGH nicht als verhältnismäßig an. Ebenso wenig, dass der ungarische Gesetzgeber angeblich Verstöße gegen nationale Vorschriften über die Devisenkontrollen und über den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ahnden wollte, die ausländische Erwerber von Nießbrauchsrechten begangen haben sollen.

Beschränkung von Grundfreiheiten nur in Ausnahmefällen möglich

Möchte ein Mitgliedstaat die Beschränkung von Grundfreiheiten durch eine nationale Regelung rechtfertigen, ist – so der Gerichtshof weiter – die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Unionsrecht unter Berücksichtigung sowohl der sich aus dem Vertrag und der Rechtsprechung des Gerichtshofs für eine Rechtfertigung einer Beschränkung der fraglichen Freiheit ergebenden Ausnahmen als auch der durch die Charta garantierten Grundrechte zu prüfen.

Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass das Erlöschen von Nießbrauchsrechten kraft der angefochtenen Regelung eine Entziehung von Eigentum im Sinne der Charta darstellt. Wie der Gerichtshof insoweit ausführt, ist nach der Charta eine solche Enteignung zwar aus Gründen des öffentlichen Interesses sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung zulässig, jedoch entspricht das Erlöschen der fraglichen Nießbrauchsrechte nicht diesen Kriterien.

Verstoß gegen Eigentumsrecht

Denn Ungarn hat nach Ansicht des EuGH mit der betreffenden Einschränkung nicht tatsächlich geltend gemachten Zielsetzungen verfolgt, und sie genügt auch nicht dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit. Außerdem enthält die angefochtene Regelung keine Bestimmung, die die Entschädigung enteigneter Inhaber von Nießbrauchsrechten vorsieht.

Folglich verletzt die angefochtene Regelung das durch die Charta garantierte Eigentumsrecht. Unter diesen Umständen entscheidet der Gerichtshof, dass Ungarn durch den Erlass der streitigen Regelung gegen seine Verpflichtungen aus dem Grundsatz des freien Kapitalverkehrs und der Bestimmung der Charta über das Eigentumsrecht verstoßen hat.

Weblink

Volltext des Urteils (Rechtssache C-235/17)

(Quelle: EuGH)

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