Navigation
Seiteninhalt

EuGH-Anwalt: Auch Agrargenossenschaften unterliegen Kartellrecht

Nach Ansicht von EuGH-Generalanwalt Nils Wahl können landwirtschaftliche Erzeugerorganisationen und ihre Vereinigungen unionsrechtswidrige Kartellverstöße begehen.
Von Redaktion
18. April 2017

Sachverhalt

Wegen Preisabsprachen und strategischen Absprachen bei der Vermarktung von Chicorée verhängten die französischen Wettbewerbsbehörden 2007 Geldbußen in Höhe von 4 Mio. Euro, u.a. gegen Erzeugerorganisationen (EO), Vereinigungen von Erzeugerorganisationen (VEO) sowie verschiedene Verbände und Gesellschaften.

Die EO und VEO wandten ein, dass ihre Verhaltensweisen nicht unter das unionsrechtliche Kartellverbot fielen. Nach dem Unionsrecht sei es Aufgabe der EO und VEO, eine nachfragegerechte Erzeugung sicherzustellen und die Erzeugerpreise zu regulieren. Die von den französischen Behörden als wettbewerbswidrig eingestuften Verhaltensweisen seien durch die Wahrnehmung dieser Aufgabe gerechtfertigt. Die mit der Sache befasste Cour de cassation ersuchte den Gerichtshof um Klarstellungen zu dieser Frage.

Schlussanträge

In seinen Schlussanträgen vom 6. April 2017 weist Generalanwalt Nils Wahl zunächst darauf hin, dass die EO und VEO u.a. die allgemeine Aufgabe hätten, eine nachfragegerechte Erzeugung sicherzustellen, die Produktionskosten zu drosseln und die Erzeugerpreise zu regulieren. Es liege in ihrem Wesen, dass bei ihnen kollektive Abstimmungen stattfinden würden. Deshalb unterlägen bestimmte Maßnahmen der EO und VEO nicht dem Wettbewerbsrecht. Insbesondere hätten sie die Aufgabe, Verkaufspreise tatsächlich zu kontrollieren.

Allerdings gilt die Aussetzung des Kartellverbots laut Wahl nur für Verhaltensweisen innerhalb einer EO/VEO, da sie dann mit Verhaltensweisen innerhalb eines Konzerns vergleichbar seien. Wettbewerbswidrige Absprachen unter verschiedenen EO oder VEO bzw. innerhalb von nicht mit der Vermarktung der Erzeugnisse ihrer Mitglieder betrauten Einheiten oder gar zwischen einer EO/VEO und anderen Arten von Akteuren auf dem Markt unterlägen hingegen dem Wettbewerbsrecht. Sie erfolgen laut Wahl nämlich zwischen wirtschaftlichen Einheiten, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie unabhängig sind.

Zu den konkreten Absprachen über den Preis für Chicorée stellt der Generalanwalt fest, dass die Festsetzung eines Mindestpreises unter Erzeugern jedenfalls unter das unionsrechtliche Kartellverbot falle, unabhängig davon, ob sie zwischen verschiedenen EO/VEO oder innerhalb ein und derselben EO/VEO erfolge.

Zu den Absprachen über die auf den Markt gebrachten Mengen sowie zum Austausch strategischer Informationen stellt Wahl fest, dass diese innerhalb einer EO/VEO nicht unbedingt dem Wettbewerbsrecht unterlägen, außerhalb jedoch schon.

Weblink

Die Entscheidung im Volltext (Rechtssache C‑671/15)

(Quelle: EuGH)

Autoren

782_632_LN_Logo_RGB_Primary_Full-Color_Positive.jpg

Redaktion

Die LexisNexis Österreich & Compliance Praxis-Redaktion versorgt Sie regelmäßig mit aktuellen News und Informationen aus der Compliance-Welt. Unser Ziel ist es, Ihre tägliche Arbeit bestmöglich zu ...