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Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen: Die Winterlandschaft

Wenn es ans Eingemachte geht, kann das Gesprächsklima schon einmal sehr abkühlen, wie der Compliance-Verantwortliche feststellen muss.

02. Juni 2015

„So, so, Sie haben also Bedenken wegen dieser Transaktion?“, raunt mich der Eine an.

Der Andere schweigt.

„Ich habe die Pflicht, Sie auf meine Bedenken zu diesem Thema hinzuweisen. Von meiner Seite kann es dazu kein grünes Licht geben“, antworte ich.

„Ja, wieso denn eigentlich nicht? Müssen Sie immer alles so kompliziert machen?“, fragt mich der Eine.

Der Andere schweigt.

„Ich kann nur auf das bisher Besprochene verweisen. Von meiner Seite sehe ich da in der Bewertung keinen Spielraum“, und setze mit der Erörterung der kritischen Punkte fort.

„Ja, aber wenn das so ist, dann können wir ja das Geschäft gar nicht machen!“, stellt der Eine fest.

Der Andere schweigt.

„So ist es“, antworte ich.

„Das ist gänzlich inakzeptabel! Wir sind hier, um Geld zu verdienen! Und Sie behindern uns dabei! So geht’s nicht!“, sagt der Eine schon etwas lauter.

Der Andere schweigt.

Ich starte einen neuerlichen Versuch, die für mich entscheidenden Punkte nochmals darzustellen.

„Sie verstehen wohl nicht? Wir brauchen Lösungen, keine ewigen Bedenken!“, unterbricht mich der Eine.

Der Andere schweigt.

„Ich kann leider über zwingende rechtliche Bestimmungen nicht hinwegsehen. So leid es mit tut. Die Lösung kann aus meiner Sicht nur sein, das Geschäft nicht zu machen“, entgegne ich dem Einen und versuche dabei, so bestimmt wie möglich zu klingen. Das Gespräch erinnert mich irgendwie an das Autorennen in Rebel without a Cause: wer bremst, verliert.

Doch auch solche Rennen können unerwartete Wendungen nehmen.

„Jetzt reicht’s aber. So kann man nicht arbeiten!“, schreit mich der Eine an. Und nimmt dabei sein Notizbuch in die Hand und schlägt damit mehrmals heftig auf den Tisch.

Wenige Augenblicke später ist alles am und um den Tisch herum weiß. Der Zucker auf dem Marmorkuchen, der in der Mitte des Tisches steht, wurde verweht und taucht alles in eine weiße Pracht. Es schaut jetzt so richtig winterlich aus. Passt zur frostigen Stimmung, denke ich mir.

„Will jemand Tee? Oder Kaffee?“, fragt der Andere.

Wie war das noch mit dem Philosophen und dem Schweigen, frage ich mich, und entscheide mich für Kaffee.

Hinweis

Die Blog-Serie "Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen" handelt von den Erfahrungen eines Compliance Officers aus einem österreichischen Unternehmen Tag für Tag, in den "Mühen der Ebene". Aus naheliegenden Gründen bleibt der Verfasser ungenannt. Die Berichte sind authentisch.

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