Navigation
Seiteninhalt

Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen: Am Mount Rushmore

Der Antrittsbesuch bei einem Tässchen Kaffee steht an, in lockerer Atmosphäre. Weil ein guter Einstieg wichtig ist - denkt sich zumindest der Compliance-Verantwortliche.

04. August 2015

Na, das kennt man ja. Die anderen warten lassen. Gehört halt dazu, wenn man seine Wichtigkeit herausstreichen will. Als Ranghöchstem steht ihm zwar sowas auch nicht zu, aber er tut es trotzdem. Ich sitze seinem Mitarbeiterstab im Besprechungszimmer gegenüber.

Eigentlich wollte ich mich nur vorstellen. Auf einen Kaffee vorbeikommen. Ein Höflichkeitsbesuch eben. Bei ihm im Büro. In den Lederfauteuils. So war es auch besprochen. Gerade der Antrittsbesuch sollte in lockerer Atmosphäre über die Bühne gehen. Vor allem, wenn man zwei Sachen vorstellen muss: sich selber und dann noch dieses neue Thema Compliance.

Ich schaue in die Runde. Wenn ich so in die Gesichter blicke, sehe ich steinerne Minen.

Na, das wird lustig, denk ich mir. Und warte.

„Sie sind also der Neue?“, fragt mich der Mann mit der gelben Brille.

„Ja. Bin ich“, antworte ich.

„Sie bringen uns Compliance?“, will die Kollegin, die keine gelbe Brille trägt, wissen.

„Ja, das ist meine Aufgabe“, gebe ich zurück.

„Dann haben Sie bei uns nicht viel zu tun“, erklärt sie und presst dabei ihre Hände noch fester auf den Stapel Papiere, der vor ihr liegt. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Da ist alles da. Schulungen, Code of Conduct und was es sonst noch alles gibt. Und außerdem sind wir sauber.“

Und dann kommt der Chef.

Eigentlich erscheint er. Es macht nicht den Eindruck, als ob er hereingeht. Eher ein Hereinschweben.

Seine Entourage erhebt sich artig.

Sie grüßen ihn.

Er sie nicht.

Er blickt zu mir über den Tisch.

„Ich grüße Sie“, bringt er gerade noch heraus, als er sich hinsetzt. Händeschütteln ist ohnedies überbewertet, denke ich mir. Und er sich offensichtlich auch.

„So, so. Der Herr Compliance in unserer Runde. Wie stellen Sie sich denn Ihre Arbeit vor?“

Ich präsentiere, was ich mir so vorstelle. Am Ende bleiben die Minen vis-a-vis versteinert. Erinnert mich an meinen Ausflug zum Mount Rushmore. Irgendwie.

„Gute Ideen, die Sie da haben. Für uns aber nur reine Zeitverschwendung. Wir haben das alles schon. Und was wir nicht haben, brauchen wir nicht“, sagt er und deutet auf die Dame. Die, die den Stapel Papiere festhält und keine gelbe Brille trägt.

„Ja“ bestätigt sie „Alles da!“

„Wissen Sie, wie Sie uns wirklich helfen können?“, fragt er mich.

„Nein, wie?“, will ich neugierig wissen.

„Indem Sie uns nicht im Weg stehen und unsere Arbeit tun lassen“, gibt er zurück.

Die finsteren Minen vis-a-vis lichten sich. Die Gesichter des Mount Rushmore lächeln zufrieden.

Er steht auf, presst kurz Tag zwischen seinen Lippen hervor und schwebt aus dem Raum hinaus.

Es geht doch nichts über einen guten Einstieg, denke ich mir.

Hinweis

Die Blog-Serie "Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen" handelt von den Erfahrungen eines Compliance Officers aus einem österreichischen Unternehmen Tag für Tag, in den "Mühen der Ebene". Aus naheliegenden Gründen bleibt der Verfasser ungenannt. Die Berichte sind authentisch.

Autoren