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Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen: Der Spirit

„Tone from the Top“, Vorbildwirkung, Commitment des Managements. Was heißt das eigentlich konkret? In einem Gespräch mit der Führungsriege erfährt der Compliance-Verantwortliche, worauf es letztlich wirklich ankommt.

06. April 2015

„An unseren Compliance-Schulungen nehmen fast alle Mitarbeiter teil, die es betrifft“, sage ich und komme damit zum letzten Punkt auf meiner Agenda für den heutigen Termin.

„Das ist gut“, sagen beide. „War aber bei unserem Team auch gar nicht anders zu erwarten!“, ergänzen sie.

Zufrieden nicken sie sich zu.

„Es gibt da nur einen Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte“, antworte ich.

„Und der wäre?“, fragt der Eine.

„Na ja, wie soll ich sagen? Die Teilnahme an den Schulungen durch das Management lässt zu wünschen übrig.“

„Was soll das heißen?“, fragt mich der Andere.

„Dass das Management die Schulungen in überwiegender Mehrzahl bisher nicht besucht hat“, antworte ich.

Kurzes Schweigen in der kleinen Runde, lediglich unterbrochen vom Klappern der Kaffeetassen.

„Wie kommen Sie zu so einer Aussage?“, will der Eine wissen.

„Na ja, das Management hat bisher eine Teilnahmequote von 20 Prozent“, erkläre ich.

„Das ist ja gar nicht so schlecht. Die haben halt viel um die Ohren“, freut sich der Andere.

Zustimmendes Nicken. Aber nicht von mir.

„Das Problem ist, dass die Quote für alle anderen Mitarbeiter, die es betrifft, bei knapp 85 Prozent liegt. Da könnte man meinen, dass es am Commitment des Managements mangelt“, sage ich.

„Weit hergeholte Schlussfolgerung“, sagen beide gleichzeitig. „Da müssen Sie halt intern mehr Werbung machen und die, die es betrifft, auf die Schulungen hinweisen. Dann wird’s schon, oder?!“, meint der Eine.

„Hab ich ja, mit Mails und in persönlichen Gesprächen habe ich auf die Termine hingewiesen. Und dass die Teilnahme für das Management verpflichtend ist. Mehrmals.“

„Und, was waren die Reaktionen?“, will der Andere wissen.

„Gemischt. Von Sicher nicht! über Was geht mich das an? bis zu Wenn ich das von oben nicht schriftlich bekomme, geh ich nicht hin! Meine Herren, Sie müssen ein Machtwort sprechen“, sage ich.

Schweigen.

„Hm…“

„Hm…“, auch der Andere.

Stille.

„Machtwort? Was Sie sich alles vorstellen!“, sagt der Eine.

„Na wirklich!“, sekundiert der Andere.

Stille.

„Jetzt sag ich Ihnen, wie ich das sehe“, sagt der Eine. Und zum Anderen „und bitte korrigier mich gleich, wenn du das anders siehst.“

Jetzt bin ich aber gespannt.

„Wir sehen das so, dass es nicht wichtig ist, ob das Management an diesen Schulungen teilnimmt.“

Aha.

„Wichtig ist der Spirit, der dahinter steht und alles trägt. Verstehen Sie? Noch Fragen?“

Bevor ich noch etwas sagen kann, steht der Eine auf, sagt im Hinausgehen so etwas wie, dass damit die Sache erledigt ist und er jetzt den Flieger erwischen muss.

Draußen fliegt eine weiße Taube vorbei. Spirit, fällt mir dazu ein, während ich meine Unterlagen zusammenpacke.

Hinweis

Die Blog-Serie "Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen" handelt von den Erfahrungen eines Compliance Officers aus einem österreichischen Unternehmen Tag für Tag, in den "Mühen der Ebene". Aus naheliegenden Gründen bleibt der Verfasser ungenannt. Die Berichte sind authentisch.

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