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Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen: Casablanca

Der Compliance-Verantwortliche hat konzernweit erfolgreich ein Compliance-System ausgerollt. Wird er künftig international operieren dürfen? Von Sydney aus oder von Buenos Aires...? Ein Gespräch zwischen Tür und Angel macht Hoffnung.

03. August 2015

„Gut, dass ich Sie treffe!“, ruft er mir zu.

Das mag ich. Das Formlose, das Unkomplizierte. Man trifft sich am Gang. Auf dem Weg zur Kaffeemaschine. Schön, dass das hier alles so einfach ist, denke ich mir.

„Guten Tag“, antworte ich und frage gleich, ob er vielleicht auch einen Kaffee haben möchte.

„Hm…, gute Idee. Ja, einen Cappuccino bitte“, sagt er.

Mit der Gewandtheit eines Baristas stelle ich eine Schale zur Kaffeemaschine und drücke die Cappuccino-Taste.

„Bitteschön“, sage ich und reiche ihm den Kaffee.

„Ich wollte ohnedies mit Ihnen reden und wenn ich Sie schon hier treffe, dann können wir das gleich machen. Dann ersparen wir uns einen Termin“, sagt er am Kaffee nippend. „Sie haben ja wirklich viel erreicht im Projekt“, lobt er mich.

„Danke.“

„Sie haben geradezu Großartiges geleistet. Ein konzernweites Compliance-System aufgebaut. Bravo! Bravissimo!“, überschlägt er sich geradezu.

So viel Lob wirkt ja fast schon peinlich, denke ich mir.

„Wir haben jetzt den Punkt erreicht, wo wir Ihrer Arbeit einen neuen Schwerpunkt geben sollten“, setzt er fort und schaut mir tief in die Augen. Schlussszene Casablanca fällt mir dazu ein. Halt in Farbe. Nur dass er nicht annähernd wie Humphrey Bogart wirkt. Gut, ich bin ja auch nicht Ingrid Bergman.

„Sie haben exzellent gearbeitet, in den Tochtergesellschaften, in der Muttergesellschaft, bei allen eben.“

Schweigen. Klimpern der Kaffeetassen.

„Wir werden Ihrer Tätigkeit einen neuen Fokus geben.“

„Aha?“

„Nah ja, einen neuen Schwerpunkt.“

Was meint er denn?

„Ja, wie soll ich sagen? Wir, und da spreche ich auch für meine Kollegin, wollen Ihre Arbeit erden und fokussieren.“

Erden und fokussieren? Na, da bin ich aber schon gespannt, was das wird.

„Sie haben jetzt jedes Recht, die Früchte Ihrer Arbeit zu ernten“, sagt er und stellt die Kaffeetasse ab.

Früchte meiner Arbeit? Meines Einsatzes? Meines Engagements? Ein unbestimmtes Gefühl der freudigen Erwartung macht sich breit. Ich blicke ihn hoffnungsvoll an.

„Nach der erfolgreichen Fertigstellung des Projektes steht eine Änderung für Sie bevor.“

Ich freue mich nur noch. So ein schönes Lob und gleich sagt er mir, was auf mich wartet. Ein Wechsel ins operative Geschäft? Australien? Kanada? Argentinien? Länder, ja ganze Kontinente ziehen vor meinem geistigen Auge vorbei.

„Sie haben sich einen fixen Arbeitsplatz verdient“, höre ich ihn sagen.

Jetzt sag schon! Mach es nicht so spannend!

„Wir haben beschlossen, dass Sie ab sofort Ihre Aufgaben, über die wir im Detail sowieso noch reden müssen, von …“

Von Kanada aus?

„Ja, wie soll ich sagen?“

Von Buenos Aires aus?

„Jaaa, ähm.“

Von Sydney aus?

„Ausschließlich vom Schreibtisch aus betreuen werden. Präsenz vor Ort bei den Tochtergesellschaften ist, ähm, overrated.“

Schreibtisch? Ich überlege noch, dass ich jetzt auf die schnelle keine Stadt kenne und kein Land, das Schreibtisch heißt. Bevor ich ihn fragen kann, was er denn eigentlich damit meint, ist er mit einem flotten „Gell, so machen wir das jetzt“ auch schon wieder weg.

Wohl nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Hinweis

Die Blog-Serie "Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen" handelt von den Erfahrungen eines Compliance Officers aus einem österreichischen Unternehmen Tag für Tag, in den "Mühen der Ebene". Aus naheliegenden Gründen bleibt der Verfasser ungenannt. Die Berichte sind authentisch.

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