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Entschädigungen für Verspätungen: ÖBB darf sich nicht auf „höhere Gewalt“ berufen

Nach Ansicht von EUGH-Generalanwalt Jääskinen muss Bahnreisenden bei großer Verspätung ein Teil des Fahrpreises erstattet werden, auch wenn die Verspätung auf höherer Gewalt beruht. Ein Eisenbahnunternehmen dürfe seine Erstattungspflicht in solchen Fällen nicht ausschließen.
Von Redaktion
15. März 2013

Die Verordnung über Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr sieht vor, dass ein Fahrgast bei einer Verspätung von einer Stunde oder mehr vom Eisenbahnunternehmen eine teilweise Erstattung des Fahrpreises verlangen kann. Diese Entschädigung beträgt mindestens 25 Prozent des Preises der Fahrkarte bei Verspätungen zwischen einer und zwei Stunden und mindestens 50 Prozent bei Verspätungen von zwei Stunden und mehr. Die Verordnung enthält keine Befreiung von diesem Entschädigungsanspruch in Fällen, in denen die Verspätung durch höhere Gewalt, etwa durch schwierige Wetterverhältnisse, Beschädigungen der Eisenbahninfrastruktur oder Arbeitsmarktkonflikte, verursacht worden ist.

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) möchte vom Gerichtshof wissen, ob ein Eisenbahnunternehmen seine Verpflichtung zur Fahrpreisentschädigung trotzdem ausschließen darf, wenn eine Verspätung, ein verpasster Anschluss oder ein Zugausfall durch höhere Gewalt verursacht worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über eine Beschwerde der ÖBB gegen einen Bescheid der österreichischen Schienen-Control Kommission zu entscheiden, wonach die ÖBB eine Bestimmung in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen abändern soll, die eine Entschädigung in Fällen höherer Gewalt ausschließt.

In seinen gestrigen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Niilo Jääskinen die Auffassung, dass ein Eisenbahnunternehmen seine aus der Verordnung resultierende Verpflichtung zur Zahlung einer Fahrpreisentschädigung in Fällen, in denen die Verspätung auf höherer Gewalt beruhe, nicht ausschließen dürfe.

Er weist darauf hin, dass es im Wortlaut der Verordnung keinen Anhaltspunkt für eine Beschränkung dieser Verpflichtung in Fällen höherer Gewalt gebe. Hätte der Unionsgesetzgeber die Verpflichtung in Fällen höherer Gewalt beschränken wollen, wäre dies im Wortlaut der Verordnung klar zum Ausdruck gekommen. Auch die analoge Anwendung von Bestimmungen über höhere Gewalt in Verordnungen über Fahrgastrechte in anderen Verkehrssektoren, nämlich im Flug-, Schiffs- und Busverkehr, lehnt er ab.

Er weist darauf hin, dass im Eisenbahnverkehr die häufigsten Fälle höherer Gewalt, nämlich schwierige Wetterverhältnisse, Beschädigungen der Eisenbahninfrastruktur und Arbeitsmarktkonflikte, mit vorhersehbarer statistischer Regelmäßigkeit einträten und bei der Berechnung des Fahrpreises berücksichtigt werden könnten. Außerdem befänden sich die in den verschiedenen Verkehrssektoren tätigen Unternehmen nicht in einer vergleichbaren Lage, da die einzelnen Beförderungsformen hinsichtlich der Bedingungen ihrer Benutzung nicht austauschbar seien.

Eine zweite Frage des VwGH betraf die Zuständigkeit für die Durchsetzung der Verordnung. Hier stellte der Generalanwalt fest, dass die ÖBB rechtlich an die Verordnung gebunden sei und dass sich Fahrgäste in jedem Zivilverfahren, in dem von diesem Eisenbahnunternehmen eine Fahrpreisentschädigung verlangt werde, auf sie berufen könnten.

(Quelle: OGH)

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Redaktion

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