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Ein Hühnersüppchen im Krankheitsfall

Dieses alte Hausmittel soll besonders stärkend wirken. Die Verköstigung eines erkrankten Arbeitnehmers geht aber jedenfalls nicht auf Kosten seines Arbeitgebers, auch wenn dieser sonst immer für die Verpflegung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sorgt.
Von Mag. Barbara Tuma
01. April 2011

Das heutige Gericht aus der OGH-Küche ist nicht nur brennheiß, sondern auch neu kreiert: Der Oberste Gerichtshof hatte sich erstmals mit dieser Frage auseinanderzusetzen (9 ObA 121/10z) .

Auf der Zutatenliste stehen:

  • Essensbons. Die klagende Arbeitnehmerin hatte schon früher von ihrem Arbeitgeber Essensmarken über zuletzt € 2,- pro Arbeitstag erhalten. Im Jahr 2006 bot der Arbeitgeber den Mitarbeitern eine Wahlmöglichkeit an, und zwar zwischen einer Anhebung bei den steuerfreien Essensmarken auf das Höchstmaß der Steuerfreiheit von € 4,40 pro Arbeitstag oder einer begünstigten Zukunftssicherung über € 300,- oder einer Gehaltserhöhung. Die Arbeitnehmerin entschied sich für die Erhöhung der Essensbons auf den vollen steuerfreien Betrag.

  • Ein beendetes Dienstverhältnis.

  • Die Klage der Arbeitnehmerin über € 624,80 an "Essensmarkendifferenz" und € 1.161,60 an „Abfertigungsdifferenz“. Sie steht auf dem Standpunkt, dass es sich bei den Essensmarken um einen Gehaltsbestandteil handelt, der ihr auch für Tage zusteht, an denen sie wegen Urlaub, Feiertag oder Krankheit nicht gearbeitet hat. Als Lohnbestandteil seien die Essensmarken auch bei der Abfertigung zu berücksichtigen.

Wie würden Sie entscheiden? Denken Sie dabei va auch an das „Ausfallsprinzip“, nach dem der Arbeitnehmer während eines Urlaubs oder Krankenstands grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten hat, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte.

Wofür auch immer Sie votiert haben – Sie sind damit in guter Gesellschaft.

Das Oberlandesgericht sprach sich für eine Einbeziehung des Essensmarken auch in Urlaubs- und Krankenentgelt aus.

Der Oberste Gerichtshof hat allerdings das letzte Wort – und er hat gegen eine Einbeziehung entschieden:

Zwar ist der Entgeltbegriff des Ausfallprinzips weit auszulegen und es kommt nicht auf die Bezeichnung des Entgelts an und nicht auf die steuerrechtlich oder sozialrechtliche Beurteilung. Nicht als Entgelt gelten jedoch Aufwandsentschädigungen und jene Sachbezüge und sonstigen Leistungen, die wegen ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der Erbringung der Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer während des Urlaubs bzw einer Arbeitsverhinderung nicht in Anspruch genommen werden können – so die beiden Generalkollektivverträge zum Urlaubs- und zum Krankenentgelt.

Und genau hier hakt die Argumentation des OGH ein: 

„Bedenkt man nun, dass der Zweck der Gewährung freier oder verbilligter Mahlzeiten am Arbeitsplatz primär in den arbeitsökonomischen Vorteilen einer solchen Verköstigung während des Arbeitstags liegt, weil sie im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Konzentration der Arbeitszeit ermöglicht (keine Notwendigkeit von Heimfahrten zur Nahrungsaufnahme), ergibt sich daraus der unmittelbare Zusammenhang der Zuwendung dieser Leistung mit der konkreten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. (…)

Nichts anderes trifft aber auf Essensgutscheine zu, die – ebenso wie eine freie oder verbilligte Mahlzeit am Arbeitsplatz – widmungsgemäß nur am Arbeitsplatz oder in einer nahen Gaststätte zur dortigen Konsumation eingelöst werden können.

Da auch sie in Zeiten der Arbeitsverhinderung den Zweck einer arbeitsökonomischen Nahrungsaufnahme verfehlten und,  mangels Arbeitsleistung, keine arbeitsbedingten Mehrkosten der Nahrungsaufnahme außer Haus abgelten könnten, sind sie – freilich vorbehaltlich einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung – nicht in den der Entgeltfortzahlung zugrunde liegenden Entgeltbegriff miteinzubeziehen. Damit scheidet auch eine Entschädigung in Form einer Geldersatzleistung aus.“

Die gleichen Kriterien legte der OGH auch für den Entgeltbegriff der Abfertigung an und kam daher zu dem Gesamtergebnis: Die  steuerfreien Essensgutscheine waren im vorliegenden Fall nicht in die Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall und auch nicht in die Bemessungsgrundlage der Abfertigung miteinzubeziehen.

Dass sich die Arbeitnehmerin anstelle einer Gehaltserhöhung für den steuerbegünstigten Bezug der Essensgutscheine entschieden hatte, konnte daran nichts ändern: Die ihr damals angebotenen Alternativen könnten durchaus auch als Wahlmöglichkeit zwischen einer (der Entgeltfortzahlung unterliegenden) Lohnerhöhung und einer (der Entgeltfortzahlung nicht unterliegenden, dafür sonst vorteilhafteren) Sachleistung verstanden werden, meint der OGH.

Autoren

Barbara Tuma

Mag. Barbara Tuma

Mag. Barbara Tuma ist seit mehr als dreißig Jahren als juristische Fachredakteurin in der LexisNexis-Redaktion tätig. Bei ihrer Arbeit erhält sie – in allen Rechtsbereichen – Einblick in die neuest...