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EUGH zu Spediteurs-Kartell: Falscher Rechtsrat schützt nicht vor Geldbuße

Der Rechtsrat einer Anwaltskanzlei oder eine Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde nehmen dem Verhalten eines Unternehmens nicht seine Wettbewerbswidrigkeit und schützen nicht vor der Verhängung einer Geldbuße. Das entschied gestern der Europäische Gerichtshof (EUGH).
Von Redaktion
19. Juni 2013

Der Europäische Gerichtshof hat gestern ein Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Wien rund um ein auf die späten 1990er Jahre zurückgehendes Spediteurs-Kartell beantwortet.

Bagatellkartell oder nicht?

Der Streitfall zwischen den österreichischen Wettbewerbshütern und 31 Speditionsunternehmen geht auf die Gründung der „Spediteurs-Sammelladungs-Konferenz“ (SSK) im Jahr 1994 zurück. Das Kartellgericht qualifizierte die SSK 1996 als ein „Bagatellkartell“ im Sinne des österreichischen Rechts. Eine auf Kartellrecht spezialisierte österreichische Anwaltskanzlei, die als Beraterin herangezogen wurde, vertrat ebenfalls die Auffassung, dass es sich bei der SSK um ein Bagatellkartell und somit nicht um ein verbotenes Kartell handele.

Im Herbst 2007 führte die EU-Kommission Razzien bei Mitgliedern der Konferenz durch und äußerte den Verdacht, die betreffenden Firmen könnten europäische Wettbewerbsbestimmungen verletzt haben. Im Februar 2010 beantragte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht Geldbußen gegen die Mitglieder der SSK wegen wettbewerbswidriger Absprachen im Zeitraum 1996 bis 2007, ausgenommen Schenker, da dieses Unternehmen als Kronzeuge fungierte.

Diesen Antrag bekämpften die Unternehmen - mit Ausnahme von Schenker - vor dem Oberlandesgericht Wien. Das OLG Wien wiederum folgte den Argumenten der Antragsgegnerinnen, dass die SSK als Bagatellkartell durch das Kartellgericht anerkannt und öffentlich bekannt gewesen sowie fachkundiger Rat einer verlässlichen Anwaltskanzlei eingeholt worden sei.

Diesen OLG-Beschluss bekämpften nun ihrerseits die BWB und der Bundeskartellanwalt mit Rekurs. Schließlich nahm im September 2011 auch die EU-Kommission Stellung zu dem Fall.

Vor diesem Hintergrund zögerte der OGH, der den Fall in letzter Instanz zu entscheiden hat, mit einem Urteil und legte dem EUGH im Dezember 2011 zwei Fragen vor.

Entschuldigt durch (falsche) Rechtsberatung?

Der OGH wollte zunächst wissen, ob ein Unternehmen, das gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoßen hat, der Verhängung einer Geldbuße entgehen kann, wenn der Zuwiderhandlung ein Irrtum dieses Unternehmens über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zugrunde liegt, der auf dem Rechtsrat eines Anwalts oder der Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht.

Dies verneint der EUGH: Das Wettbewerbsrecht der Union ist dahin auszulegen, dass falsche Rechtsberatung oder die Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde ein wettbewerbswidrig handelndes Unternehmen nicht vor einer Geldbuße bewahrt.

Geldbußenbefreiung für Kronzeugen?

Die zweite Vorlagefrage geht dahin, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden, wenn ein Unternehmen an einem nationalen Kronzeugenprogramm teilgenommen hat, eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht feststellen können, ohne eine Geldbuße festzusetzen.

Diese zweite Frage bejahen die Luxemburger Richter teilweise: Die nationalen Wettbewerbsbehörden können in Ausnahmefällen trotz festgestellten Regelverletzungen auf eine Geldbuße verzichten, wenn das betreffende Unternehmen an einem nationalen Kronzeugenprogramm teilgenommen hat. Im vorliegenden Fall trat die Firma Schenker als Kronzeugin auf.

Weblinks

  • Pressemitteilung des EUGH zum Urteil in der Rechtssache C-681/11

  • Urteildes EUGH in der Rechtssache C-681/11

(Quelle: EUGH)

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