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Kartellrecht: „Verbotsirrtum“ schützt nicht vor Geldbußen

Teilnehmer an einer Kartellabsprache können sich nicht unbedingt damit entschuldigen, dass sie von einem externen Rechtsbeistand falsch beraten wurden, also einem sogenannten „Verbotsirrtum“ aufgesessen sind. Dies hält die Generalanwältin des EUGH, Juliane Kokott, zu einem Vorabentscheidungsersuchen des OGH fest.
Von Redaktion
01. März 2013

Die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof Juliane Kokott hat in ihrem gestrigen Schlussantrag an den Gerichtshof (in der Rechtssache C-681/11) die Meinung vertreten, dass sich Teilnehmer an einer Kartellabsprache nicht damit entschuldigen können, dass sie – von einem externen Rechtsbeistand – falsch beraten wurden. Es kommt darauf an, ob der Verbotsirrtum „vorwerfbar“ oder „nicht vorwerfbar“ ist.

Wenn das Unternehmen auf anwaltlichen Rechtsrat oder die Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde vertraut hat, in denen das entscheidende Rechtsproblem nicht oder jedenfalls nicht ausdrücklich erörtert wurde, ist der Verbotsirrtum „vorwerfbar“, kann also nicht vor einer allfälligen Geldbuße wegen der Teilnahme an einem illegalen Kartell schützen.

In dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof geht es um einen Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) gegen eine Reihe von Speditionsunternehmen, in dem die BWB das Kartellgericht um eine Bebußung der Unternehmen ersuchte, weil sie an einem kartellrechtswidrigen Kartell teilgenommen hatten. Das Kartellgericht hat dies mit dem Hinweis abgelehnt, dass ein rechtfertigender, nicht vorwerfbarer Verbotsirrtum vorgelegen habe, da diese von einem externen Rechtsbeistand falsch beraten worden wären.

Dagegen legte die BWB Rekurs beim Obersten Gerichtshof (als Kartellobergericht) ein, der wiederum das Verfahren zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof in Luxemburg weiterverwies. Die Bundeswettbewerbsbehörde hatte vor dem OGH die gleiche Rechtsauffassung wie die Generalanwältin vertreten und sieht sich in ihrer Position nun bestätigt. Die Meinung der Generalanwältin ist für den Europäischen Gerichtshof allerdings nicht bindend.

Auch in der zweiten Rechtsfrage an den Gerichtshof sieht sich die BWB durch die Meinung der Generalanwältin bestätigt. Sie vertritt die Auffassung, dass nationale Kartellbehörden - entgegen der Auffassung der österreichischen Kartellgerichte – sehr wohl auch bloß feststellende Entscheidungen erlassen können und nicht nur Entscheidungen mit einer Geldbuße. Hintergrund: In Österreich werden von der BWB auch oft, z.B. gegen Kronzeugen, Feststellungsanträge ohne Geldbuße gestellt. Dies ist nach Auffassung der BWB notwendig, etwa um einen Kronzeugen – später – wegen Wiederholungstaten bebußen zu können.

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Den vollständigen Text der Schlussanträge finden Sie hier

(Quellen: LexisNexis Rechtsredaktion, BWB)

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