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Die Compliance-Profession wird zunehmend interdisziplinär

Compliance-Teams werden sich in Zukunft noch radikaler interdisziplinär aufstellen und zusammenarbeiten. Dies lässt sich vor allem aus zwei Trends ableiten, der zunehmenden Digitalisierung der Compliance-Arbeit und der Übernahme von Verantwortung durch Compliance im Bereich Ethik und Nachhaltigkeit. Der Artikel geht der Frage nach, welche Skills dadurch in Zukunft für Compliance an Bedeutung gewinnen werden.
Von Mag. Rudolf Schwab
12. März 2020 / Erschienen in Compliance Praxis 1/2020, S. 5

Die digitale Transformation hat Compliance bereits voll erfasst

Der Einsatz digitaler Tools sowohl in der Compliance-Prävention als auch in der Überwachung und vor allem bei der Aufklärung von Vorfällen ist bereits heute aus der Compliance-Arbeit nicht mehr wegzudenken.

Neu ist das Berufsbild des Artificial Intelligence Compliance Officers (AI-CO). Dieser ist ein menschlicher Mitarbeiter, dessen Zielgruppen die AI-Software, aber auch deren Programmierer und Anwender sind. Umfasst sind sowohl interne AI-Anwendungen als auch der Einsatz von AI bei Produkten und Lösungen des Unternehmens. Zu den Aufgaben des AI-CO zählt die Prüfung der von den Programmierern dokumentierten Software. Dazu ist es vorteilhaft, wenn der AI-CO die Codierung beherrscht und eine Software „lesen“ kann, um so zu verstehen, warum die Maschine so handelt, wie sie es tut. Darüber hinaus kann die Software einem Stresstest unterzogen werden, um zu analysieren, wie diese in besonderen Situationen reagiert, die aus dem Rahmen fallen. Überhaupt sollte der AI-CO an der Erstellung von Notfallplänen mitwirken, die bei potenziellem Fehlverhalten einer AI zum Einsatz kommen. Die Notfallpläne sollten auch Protokolle beinhalten, wie die Prozesse ohne AI „manuell“ ablaufen können.

Thomas Pfenning, Global Head of Compliance & Data Privacy bei der Bayer AG, gab auf dem Bundeskongress des Berufsverbandes der Compliance Manager 2019 in Berlin erste Einblicke in die Entwicklung einer digitalen Compliance-Plattform, über die alle Beschäftigten im Konzern ab 2021 jederzeit und mobil sämtliche wiederkehrenden, standardisierbaren Fragen zu Compliance und Datenschutz beantwortet erhalten. Diese interaktive, prozessbasierte Benutzeroberfläche wird jedem bei Bayer helfen, interne Regelungen zu finden und passgenau anzuwenden und bedarfsgerechte Compliance-Trainings abzurufen. Die Compliance-Trainingsinhalte werden dann über die Technologie Augmented Reality jederzeit, auch ohne Internet individuell abrufbar sein.

Bereits heute erlauben adaptive Lernalgorithmen dem Lernenden, Fehler zu machen und Fehleinschätzungen nachzuverfolgen, reale kognitive Situationen aus der Praxis eng nachzuahmen und so von einer effektiven und wirksamen Lernerfahrung zu profitieren. Die Personalisierung erhöht die Effizienz und das Engagement, indem sie berücksichtigt, was jeder Lernende bereits gelernt hat. Die Lernzeiten können sich so um bis zu 50% verkürzen.

Um die Herausforderungen der digitalen Transformation bestmöglich bewältigen zu können, werden Compliance-Teams in Zukunft ein agiler, interdisziplinärer Verbund aus AI-Designern, Datenanalytikern, Virtuell-Reality-Architekten, Neurowissenschaftlern, Prozess- und Kommunikationsexperten, Deep-Learning-Spezialisten und technikaffinen Juristen, Datenschützern und Betriebswirten sein.

Warum Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnt

Aber nicht nur die digitalen Innovationen bringen eine Reihe von Risikofeldern mit sich, bei denen Compliance künftig vermehrt eine Rolle spielen wird. Generell wird die ethisch-moralische und gesellschaftliche Akzeptanz künftig ebenso wichtig sein, wie die Einhaltung von Gesetzen und Regularien. Compliance Manager werden daher verstärkt die öffentliche Meinung im Blick haben. Denn diese bestimmt zunehmend, ob ein Produkt vom Kunden und der Gesellschaft angenommen wird oder nicht. Compliance wird dafür neue Kompetenzfelder erschließen und sich beispielsweise Erkenntnisse aus der Psychologie, Soziologie und der Philosophie zu Nutze machen.

Der kurze Abriss zeigt den erhöhten Anpassungsbedarf von Compliance an neue Gegebenheiten. Die Compliance-Profession wird dazu vor allem eines brauchen: Interdisziplinarität.

Autoren

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Mag. Rudolf Schwab

Mag. Rudolf Schwab, MBA, Certified Compliance Professional ist bei der A1 Telekom Austria Group im Bereich Compliance Prävention und Kapitalmarkt Compliance tätig. Er ist Mitbegründer des Complianc...