Navigation
Seiteninhalt

Deutsche Regierung beschließt Verbandssanktionen-Gesetz

Die Bundesregierung in Berlin hat am 16. Juni 2020 den vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ beschlossen. Vor Inkrafttreten wird über den Entwurf nun in Bundestag und Bundesrat beraten.
Von Redaktion
18. Juni 2020

Im Vergleich zum Referentenentwurf vom April 2020 (vgl. Infobox) wurden im Regierungsentwurf kaum Änderungen vorgenommen, obwohl der Gesetzestext sowohl von Rechtsanwälten als auch von Wirtschaftsverbänden stark kritisiert worden war. Beanstandet wurde etwa, dass interne Untersuchungen und Strafverteidigung getrennt werden müssen, damit die Sanktionsmilderung greift oder dass nicht geregelt wird, welche konkreten Compliance-Maßnahmen Unternehmen zu ergreifen haben, um eine Verbandssanktion zu vermeiden oder zu mildern.

Der Gesetzentwurf enthält folgende Kernpunkte:

  • Neues Sanktionsrecht: Der Sanktionsrahmen, der bislang maximal 10 Millionen Euro umfasste, soll angehoben werden. Für große Wirtschaftsunternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz sollen die Sanktionen wie im Kartellrecht bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen können. Für Unternehmen mit weniger als 100 Millionen Euro Jahresumsatz soll es bei Sanktionen von höchstens zehn Millionen Euro bei vorsätzlichen Straftaten und höchstens fünf Millionen Euro bei fahrlässig begangenen Straftaten bleiben.

  • Entschädigung von Betroffenen: Künftig soll der Staat das strafbar Erlangte einziehen und Betroffene entschädigen können. Das soll insbesondere bei massenhaften Betrugstaten, bei denen einzelne einen relativ geringen Schaden haben, den sie nicht selbst einklagen wollen, eine Erleichterung für Verbraucher sein.

  • Neue Verfahrensrechte: Unternehmen sollen künftig Beschuldigtenrechte haben, wie das Recht zu Schweigen für den gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, aber auch die Rechte auf rechtliches Gehör, zur Stellung von Beweisanträgen, zur Benennung von Zeugen und zur Einlegung von Rechtsbehelfen.

  • Klarer Rechtsrahmen für unternehmensinterne Untersuchungen: Unternehmensinterne Untersuchungen sind heute in größeren Unternehmen beim Verdacht auf Straftaten die Regel und auch kleine und mittlere Unternehmen bemühen sich häufig, mit den Staatsanwaltschaften zu kooperieren und zur Aufklärung beizutragen. Mit ihrer Durchführung werden heute oft Rechtsanwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt. Bislang ist nicht geregelt, ob und wie diese Untersuchungen im Strafverfahren gegen das Unternehmen verwendet werden können. Hierfür soll ein klarer Rechtsrahmen geschaffen werden.

  • Schutz von Arbeitnehmern: Nach geltendem Arbeits- und Dienstrecht ist unklar, inwieweit eine Aussageverpflichtung des Arbeitnehmers bei unternehmensinternen Untersuchungen besteht. Der Gesetzentwurf sieht ein Anreizmodell vor: Sanktionsmilderungen sind nur möglich, wenn die Mitarbeiterbefragungen fair und transparent erfolgt sind. Beschäftigte dürfen bei Befragungen nicht beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden. Beschäftigte müssen vor ihrer Aussage darauf hingewiesen werden, dass Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können. Beschäftigten muss das Recht eingeräumt werden, einen anwaltlichen Beistand oder ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen. Ihnen muss das Recht eingeräumt werden, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, die sie der Gefahr aussetzen würden, sich selbst oder einen Angehörigen zu belasten.

  • Rechtssicherheit bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen: Die Neuregelungen sollen Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen, insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit von Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Grundsätzlich wird gelten: Unterlagen aus unternehmensinternen Untersuchungen können beschlagnahmt und vor Gericht verwertet werden. Unterlagen aus der Strafverteidigung des Unternehmens dürfen nicht beschlagnahmt werden. Unternehmensinterne Untersuchungen und Strafverteidigung sind zu trennen, wenn die Sanktionsmilderung greifen soll.

  • Umfassende Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden: Der Gesetzentwurf soll sicherstellen, dass es nicht zu einer Privatisierung der Strafverfolgung kommt. Die Strafverfolgungsbehörden sind und bleiben verpflichtet, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Wenn das Unternehmen durch vollständige und glaubwürdige Informationen zur Aufklärung der Straftat beiträgt und umfassend mit der Staatsanwaltschaft kooperiert, kann es mit einer Sanktionsmilderung rechnen.

Weblinks

"Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft"

(Quelle: BMJV.de/Heuking.de)

Autoren

782_632_LN_Logo_RGB_Primary_Full-Color_Positive.jpg

Redaktion

Die LexisNexis Österreich & Compliance Praxis-Redaktion versorgt Sie regelmäßig mit aktuellen News und Informationen aus der Compliance-Welt. Unser Ziel ist es, Ihre tägliche Arbeit bestmöglich zu ...