Bericht: Die Anwendung der Wettbewerbsregeln im Agrarsektor
29. Oktober 2018
Die EU-Wettbewerbsvorschriften, nach denen Absprachen zur Festsetzung von Preisen oder anderen Handelsbedingungen oder zur Aufteilung von Märkten verboten sind, gelten auch für die Produktion von und den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse („GMO-Verordnung“) sieht jedoch Ausnahmen von der Anwendung dieser Vorschriften vor, die alle oder einige landwirtschaftliche Sektoren bzw. bestimmte Situationen betreffen. Der aktuelle Kommissionsbericht ist der erste, der sich gezielt mit der Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln auf den Agrarsektor befasst. Im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht.
Arbeit der europäischen Wettbewerbsbehörden
a) Untersuchungen im Agrarsektor
Die europäischen Wettbewerbsbehörden haben bislang 178 Untersuchungen im Agrarsektor durchgeführt. Mehr als ein Drittel der Untersuchungen betraf Verarbeiter von Agrarerzeugnissen, wobei die Landwirte die größte Gruppe von Beschwerdeführern darstellten.
Bei fast der Hälfte aller Wettbewerbsverstöße ging es um Preisabsprachen. Diese Absprachen fanden zumeist entweder zwischen konkurrierenden Verarbeitern statt, um den Großhandelspreis (z. B. für Zucker und Mehl) festzusetzen, oder sie wurden zwischen Verarbeitern und Einzelhändlern getroffen, um den Einzelhandelspreis (z. B. für Milcherzeugnisse, Fleisch oder Sonnenblumenöl) festzulegen. Weitere Verstöße betrafen Vereinbarungen zu Produktionsmengen, zum Austausch von Informationen und zur Marktaufteilung.
Im Bericht wird festgestellt, dass die Durchsetzungsmaßnahmen der europäischen Wettbewerbsbehörden den Landwirten zugutekamen, die dadurch bessere Bedingungen für ihre Produkte erzielen konnten, etwa höhere Preise bei Großabnehmern oder bessere Bedingungen bei den Genossenschaften.
b) Wahrung des Binnenmarkts
Eine der wichtigsten Feststellungen des Berichts ist, dass einige Mitgliedstaaten gelegentlich versucht haben, die Einfuhren bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zu beschränken. So haben mehrere europäische Wettbewerbsbehörden eine Reihe von Kollektivvereinbarungen untersucht und beendet, in denen etwa Landwirte in einem bestimmten Mitgliedstaat versucht hatten, den Verkauf durch Landwirte aus anderen Mitgliedstaaten zu verhindern.
c) Orientierung und Beobachtung
Die europäischen Wettbewerbsbehörden haben Landwirten, anderen Marktteilnehmern und Regierungen Orientierungshilfe bei der Auslegung und Anwendung des Wettbewerbsrechts in diesem Sektor geboten‚ z. B. bei den Initiativen zur Förderung der Nachhaltigkeit von Landwirtschaftsbetrieben oder bei der Veröffentlichung von Preisen durch Branchenorganisationen.
Ausnahmen von den Wettbewerbsregeln für Erzeugerorganisationen und Branchenverbände
Anerkannte Erzeugerorganisationen und Branchenverbände können zur Stärkung der Position der Landwirte beitragen und die Lebensmittelversorgungskette effizienter gestalten.
Die Anerkennung von Erzeugerorganisationen durch nationale Behörden ist im Sektor Obst und Gemüse, wo fast 50 % der Produktion von Erzeugerorganisationen vermarktet werden, aber auch im Sektor Milch, Fleisch, Olivenöl und Getreide weit verbreitet. Darüber hinaus gibt es 128 anerkannte Branchenverbände in der EU, die hauptsächlich in Frankreich und Spanien ansässig sind.
Sektorspezifische Instrumente in der Agrarindustrie
Der Bericht bestätigt, dass die in der Agrarindustrie verfügbaren sektorspezifischen Instrumente zugunsten der Landwirte und des gesamten Sektors eingesetzt werden:
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Die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis eine Vereinbarung über die Wertaufteilung im Zuckersektor zu treffen, wurde umfassend umgesetzt.
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Auch auf die Marktstabilisierungsmaßnahmen im Weinsektor wurde häufig zurückgegriffen.
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Im Käse- und Schinkensektor wurden für Erzeugnisse mit geschützten Ursprungsbezeichnungen oder geschützten geografischen Angaben Angebotssteuerungsmaßnahmen eingeführt.
(Quelle: EU-Kommission)
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