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34. Compliance Netzwerktreffen: Krisenfall Hausdurchsuchung

Das zuletzt medial omnipräsente Thema Hausdurchsuchung stieß bei der Compliance-Community auf großes Interesse. Wohl auch deshalb, weil drei Behördenvertreter aus ihrer Durchsuchungspraxis berichteten.
Von Redaktion
17. Februar 2020 / Erschienen in Compliance Praxis 1/2020, S. 44

Das 34. Compliance Netzwerktreffen am 13. Februar 2020 im Haus der Ingenieure in Wien stand thematisch ganz im Zeichen der Hausdurchsuchung. Für das Zustandekommen des Events bedankte sich Paul Kampusch, Director Content Management bei LexisNexis, insbesondere bei Mag. Martin Eckel, LL.M., Partner der Sozietät Taylor Wessing und langjähriger Partner im Compliance Netzwerk von LexisNexis. Er hatte die Veranstaltung konzipiert und organisiert und übernahm auch die Moderation.

 In den folgenden eineinhalb Stunden diskutierten die drei Behördenvertreter Dr. Luca Schicho, LL.M. (Bundeswettbewerbsbehörde), Dr. Marcus Schmitt (WKStA) und David Taborsky, BA MSc (FMA) gemeinsam mit Rechtsanwalt MMag. Dr. Christopher Schrank (BRANDL TALOS) und dem Moderator, welche Punkte ein Compliance-Leitfaden für Hausdurchsuchungen abdecken sollte und womit Unternehmen rechnen müssen.

Am Podium, v.l.n.r.: David Taborsky (FMA), Chrisopher Schrank (BTP), Luca Schicho (BWB), Marcus Schmitt (WKStA), Martin Eckel (Taylor Wessing), © leadersnet.at/ A. Felten
Am Podium, v.l.n.r.: David Taborsky (FMA), Chrisopher Schrank (BTP), Luca Schicho (BWB), Marcus Schmitt (WKStA), Martin Eckel (Taylor Wessing)

Wega, Cobra, Rammbock?

Gefragt nach dem „Scope“ einer Hausdurchsuchung (kurz „HD“) antwortete Dr. Schmitt, dass dieses Mittel neben Kontoöffnungen die häufigste Ermittlungsmaßnahme der WKStA sei. Die Vorbereitung der Behörde auf eine HD – manchmal an Dutzenden Standorten gleichzeitig – umfasse nicht nur das Einholen der gerichtlichen Bewilligung, sondern auch die vorherige Observation der Zielgebäude. „Die Zusammensetzung der Truppe hängt von den Dimensionen und den zu erwartenden Schwierigkeiten ab: Wega, Cobra, Rammen sind nichts Ungewöhnliches.“

Anders bei einer kartellrechtlichen Durchsuchung der BWB: „Wir haben keine Rammen dabei, denn das Compliance-Bewusstsein ist in den letzten Jahren gestiegen“, erläuterte Dr. Schicho. Auch das Beiziehen der Exekutive über Amtshilfe komme eher selten vor, die meisten HD können über eigene Kapazitäten der BWB abgedeckt werden. Maximal 20 Personen gleichzeitig marschieren bei betroffenen Unternehmen ein, manchmal auch nur zwei.

David Taborsky von der FMA, der im Bereich Wertpapieraufsicht Delikte wie Insiderhandel oder Marktmissbrauch verfolgt, führt dagegen häufiger HDs bei Privatpersonen durch. Emotional geht es da manchmal zu, wenn Ermittler die Privatwohnung bis ins Schlafzimmer hinein auf den Kopf stellen.

Wettlauf mit der Zeit

„Eine gute Checkliste für Hausdurchsuchungen sollte so gestaltet sein, dass die ersten Schritte auch richtig ablaufen, wenn nur eine Reinigungskraft in der Firma ist“, meinte Dr. Schrank. Denn ab Eintreffen der Behörde am Standort beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Schrank rät seinen Mandanten, die Ermittler so lange aufzuhalten, bis Compliance Officer, Geschäftsführer und Rechtsanwalt vor Ort eintreffen. In der Regel räumen Strafermittler (im Gegensatz zur BWB) dafür eine Stunde Zeit ein. Oberstes Gebot für die Mitarbeiter währenddessen: „Sagen Sie nichts oder reden Sie mit den Beamten über Ihren Urlaub“. Konfrontiert mit der Polizei hätten Menschen das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. Damit laufen sie Gefahr, ungewollt brisante Informationen weiterzugeben. Der Haken dabei: Spontane Äußerungen dürfen in den Akt aufgenommen werden! Aufgabe des Compliance Officers in dieser Situation sei es, den Rahmen der HD in Grenzen halten. Andernfalls kann es zu sogenannten „Zufallsfunden“ kommen.

Auch für die Staatsanwälte können die ersten Minuten entscheidend sein: Smartphones müssen abgelegt, Computer abgeschaltet werden. Denn, so Marcus Schmitt: „Im Fokus der Sicherung von Beweismaterial stehen heute elektronische Daten.“

E-Discovery

Was auch seine Vorteile hat, wie Dr. Schicho von der BWB meint: Blockierten die Ermittler früher auch schon einmal vier bis fünf Tage die Büros, geht heute alles schneller. Für die BWB gilt es zunächst zu klären, welche Personen an Zuwiderhandlungen beteiligt sind, und damit auch welche Postfächer, Dateien oder Cloudserver durchsucht werden müssen.

Die Realität einer HD durch die WKStA sieht hingegen anders aus, wie Dr. Schmitt einräumt. In der Regel kommt es zur Gesamtspiegelung aller Datenträger, da die Sichtung vor Ort zu zeitaufwändig wäre. Ziel sei es, die HD möglichst an einem Tag abzuschließen. Smartphones und Laptops nehmen die Staatsanwälte gerne auch mit und es kann einige Tage dauern, bis die Geräte an ihre Besitzer retourniert werden.

Auch für die FMA sind Smartphones von zentraler Bedeutung, denn Insiderhandel geht nicht ohne Kommunikation. Da können bei einer Einzelperson schon einmal sechs Terabit an digitalem Material zusammenkommen, so David Taborsky. Viele Geräte seien mittlerweile allerdings hochverschlüsselt, was einen „interessanten Wettlauf zwischen Behörden und Beschuldigten hinsichtlich der technischen Möglichkeiten“ auslöse.

Die Grenzen der Kooperation

Wie kooperativ sollen sich Betroffene einer HD verhalten? Geht es nach Rechtsanwalt Christopher Schrank seien Beschwerden wenig aussichtsreich. In der STPO vorgesehene Rechtsmittel bei formalen Fehlern können nur sehr kompliziert geltend gemacht werden. Der Compliance Officer könne hingegen versuchen, den Umfang der gesicherten Daten gering zu halten, indem die IT-Untersuchung über Schlagwortlisten auf relevantes Material beschränkt wird.

Im Kartellrecht spielt das Widerspruchsrecht prinzipiell keine große Rolle, da es als unkooperatives Verhalten ausgelegt wird. Der BWB-Vertreter rief daher zur vollen Kooperation auf. Unter anderem sollte ein großer Besprechungsraum zur Verfügung gestellt werden, der sich versperren lässt – ein unbeabsichtigter Siegelbruch wäre strafbar!

Dr. Schrank warnte jedoch vor zu großem Entgegenkommen: Trotz grundsätzlicher Kooperationsbereitschaft sollten Betroffene nicht auf ein Protokoll verzichten und nichts „freiwillig“ herausgeben. Andernfalls würden sie mutwillig auf Verteidigungsrechte verzichten. Und er ergänzt: „Es gibt keine Verpflichtung, Zugangsdaten zu Mobilgeräten herauszugeben. Schalten Sie Ihr Smartphone nicht mehr ein, entsperren sie es nicht.“

Grundsätzlich gilt es also, kühlen Kopf zu bewahren. Eine einmal anberaumte Hausdurchsuchung findet am vorgesehenen Tag statt, komme was da wolle. Gezielte Kooperation verkürzt das Ereignis in aller Regel, Obstruktion verlängert nur die Störung des Geschäftsbetriebs.

Ein „interessanter“ Zufallsfund

Erlebten die Ermittler auch schon Hoppalas anlässlich einer HD? David Taborsky bringt ein Beispiel für einen brisanten „Zufallsfund“: Zwei Villen eines Beschuldigten wurden sehr zeitig in der Früh aufgesucht. In einer der Häuser öffnete der Sohn des Beschuldigten. Nachdem der Jugendliche sehr nervös den HD-Befehl überflogen hatte, ohne den Inhalt richtig zu erfassen, gab er folgendes Statement ab: „Es ist nur für den Eigenbedarf!“ Im Garten entdeckten die Ermittler der FMA eine kleine Hanfplantage.

Für spannenden Gesprächsstoff bei Erfrischungen und kaltem Buffet war für die über 160 Gäste der Veranstaltung also durchaus gesorgt.

Save the Date

Das nächste Compliance Netzwerktreffen findet am Mittwoch, 6. Mai 2020, bei PwC Österreich statt, der heurige Compliance Solutions Day am Donnerstag, 24. September 2020, im Apothekertrakt des Schloß Schönbrunn.

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