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EuGH-Generalanwalt zu Doppelbestrafungsverbot im Kartellrecht

Der Generalanwalt des EuGH hat sich zur Tragweite des Grundsatzes „ne bis in idem“ bei parallelen oder späteren wettbewerbsrechtlichen Verfahren in anderen Mitgliedstaaten geäußert.
Von Redaktion
06. September 2021

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat Fragen nach der Tragweite des Grundsatzes ne bis in idem (Art 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, GRC) aufgeworfen, und zwar im Wesentlichen, ob dieser Grundsatz parallelen oder späteren wettbewerbsrechtlichen Verfahren in anderen Mitgliedstaaten entgegensteht, wenn diese offenbar zumindest teilweise dasselbe Verhalten zum Gegenstand haben.

Der Generalanwalt schlägt dazu folgende Antworten vor:

1. Die Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem (Art 50 GRC) hängt von der Prüfung des idem ab, das durch Identität des Zuwiderhandelnden, des einschlägigen Sachverhalts und des geschützten Rechtsguts definiert wird.
2. Ob das Wettbewerbsrecht der Union und das nationale Wettbewerbsrecht dasselbe Rechtsgut schützen, ist durch Prüfung der konkreten angewendeten Regelungen zu klären. Insoweit ist auch zu prüfen, ob die betreffenden nationalen Regelungen von denjenigen des Unionsrechts abweichen. Wenden die Wettbewerbsbehörden zweier Mitgliedstaaten Art 101 AEUV und die entsprechende Bestimmung des nationalen Wettbewerbsrechts an, schützen sie dasselbe Rechtsgut.
3. Der Umstand, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde extraterritoriale Auswirkungen eines bestimmten wettbewerbswidrigen Verhaltens in einer früheren Entscheidung berücksichtigt hat, sofern sie hierzu nach nationalem Recht berechtigt war, ist für die Prüfung der Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem im Rahmen des später durchgeführten Verfahrens relevant. Es ist einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder einem Gericht durch Art 50 der Charta verwehrt, ein wettbewerbswidriges Verhalten zu ahnden, das bereits Gegenstand einer früheren, rechtskräftigen Entscheidung einer anderen nationalen Wettbewerbsbehörde war. Dieses Verbot gilt jedoch nur insoweit, als der zeitliche und geografische Umfang des Gegenstands beider Verfahren derselbe ist.
4. Der Grundsatz ne bis in idem gilt auch im Rahmen eines nationalen Verfahrens, in dem es zur Anwendung der Kronzeugenregelung kommt und in dem keine Geldbuße verhängt wird.

Hinweis:

Auch zu einem belgischen Vorabentscheidungsersuchen (Rs C-117/20, bpost) hat der Generalanwalt am 2. 9. 2021 betreffend wettbewerbsrechtliche Verfahren festgehalten, dass der Grundsatz ne bis in idem die zuständige Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats nicht daran hindert, eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das europäische oder nationale Recht zu verhängen, sofern sich das von der Behörde durchgeführte spätere Verfahren von dem früher durchgeführten Verfahren unterscheidet, und zwar hinsichtlich entweder der Person des Zuwiderhandelnden, des einschlägigen Sachverhalts oder des geschützten Rechtsguts.

Quelle: LexisNexis Rechtsredaktion

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