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Die immer neuen Sanktionspakete gegen Russland werfen vor allem bei österreichischen Exportunternehmen und Banken knifflige Fragen auf. Ein Expertenpanel versuchte, (Rechts-)Unsicherheiten abzubauen und legale Wege zur Beibehaltung wirtschaftlicher Aktivitäten aufzuzeigen.
Von Mag. Klaus Putzer
02. Juni 2022 / Erschienen in Compliance Praxis 3/2022, S. 40

Rund 50 Interessierte durften Natalie Atzenberger (LexisNexis) und Eva Steininger (Austrian Standards) auf dem 39. Compliance Netzwerktreffen am 1. Juni 2022 in Wien begrüßen. Im Zentrum der Veranstaltung von Austrian Standards, LexisNexis, targens und Taylor Wessing standen die Themen Sanktionen, Exportkontrolle und Geschäftspartnerprüfung, mit logischen Anknüpfungspunkten zur Geldwäschebekämpfung. Dabei konzentrierte sich das von Martin Eckel moderierte Expertenpanel hauptsächlich auf die pragmatische Bewältigung ganz konkreter Problemstellungen.

V.l.n.r.: Martin Eckel, Angelika Zoder, Eva-Maria Steininger, Maximilian Scheucher, Matthias Dennig, © Leadersnet / C. Stowasser
V.l.n.r.: Martin Eckel, Angelika Zoder, Eva-Maria Steininger, Maximilian Scheucher, Matthias Dennig

Auf dem Podium

  • Mag. Nuri Feichtinger, Assistent des Wirtschaftsdelegierten der Wirtschaftskammer Österreich, AußenwirtschaftsCenter Moskau
  • Maximilian Scheucher, Kommissär beim Bundesministerium für Finanzen
  • Mag. Angelika Zoder, Juristin und Exportkontrollexpertin bei Austria International Chambers of Commerce, ICC Austria
  • Moderation: RA Mag. Martin Eckel, LL.M., Taylor Wessing

Angelika Zoder unterstützt bei der ICC Austria vor allem österreichische KMU im internationalen Handel. Das sind oft Hidden Champions mit unter 500 Mitarbeitern, die Anlagen oder Maschinen international exportieren, dabei aber kaum Ressourcen für große Compliance-Strukturen aufweisen. Wenn der Hausjurist eine „eierlegende Wollmilchsau“ sein muss, kommt es angesichts ständig wechselnder Vorschriften schnell zur Überforderung. Auf Fragen wie „Darf ich das Geschäft machen?“ oder „Darf ich eine Rechnung bezahlen?“ kann die ICC Austria aber meist nur mit der klassischen Juristenantwort dienen: „Kommt darauf an!“ Der pragmatische Ansatz lautet daher zu fragen, ob sich ein Geschäft trotz einer finanziell und zeitlich kostspieligen Compliance-Prüfung überhaupt noch lohnt. Dabei gilt es einige Hürden zu nehmen: Habe ich eine Bank, die meine Zahlung abwickelt (nicht alle Geldtransfers, die legal sind, werden von den Instituten auch durchgeführt)? Funktioniert der Transport trotz geltender Beschränkungen? Kann ich den Kaufpreis vom Kunden erhalten? Steht mein Vertragspartner auf einer Sanktionsliste? Fällt meine Ware unter einen doppelten Verwendungszweck? All diese Fragen letztgültig zu klären oder auch nur die Klärungsversuche genau zu dokumentieren verursacht einen Aufwand, der kleinere Aufträge mitunter obsolet machen kann. 

So ist für manche Waren etwa schwer zu ermitteln, ob sie unter die Dual-Use-Verordnung fallen. Eine rechtlich verbindliche Einordnung lässt sich zwar bei der Ausfuhrkontrolle im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMWD) einholen – diese kann aber lange auf sich warten lassen, erklärte der aus Moskau zugeschaltete WKO-Experte Nuri Feichtinger.

Nuri Feichtinger, © Leadersnet / C. Stowasser
Nuri Feichtinger

Zur besseren Orientierung legte er den Compliance Officern die Sanktionsgesamtübersicht der WKO ans Herz, die alle relevanten Informationen zum Thema übersichtlich zusammenfasst. Trotz der EU- bzw. US-Sanktionen und der russischen Gegenmaßnahmen unterstrich Feichtinger jedoch die nach wie vor vorhandenen Möglichkeiten für Transaktionen. So seien etwa russische Tochtergesellschaften westlicher Banken nicht vom internationalen Zahlungssystem ausgeschlossen. Umgekehrt habe Russland zwar den Kapitalabfluss durch Privatpersonen oder Dividendenzahlungen westlicher Tochtergesellschaften aus Russland heraus eingeschränkt; alle Zahlungen, die mit einem Kaufvertrag hinterlegt sind, können aber weiter abgewickelt werden, da Russland auf Importe aus Europa nicht gänzlich verzichten kann. Auch sind Transporte nach Russland über die baltischen Staaten weiterhin möglich, wenn auch mit erhöhtem Aufwand.

Mit Maximilian Scheucher war ein Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vertreten, also jener Instanz, die für die Durchsetzung der finanziellen Sanktionen zuständig ist (alle anderen kontrolliert das Bundesministerium für Inneres). Wie für die Unternehmen bedeutet die enorme Dynamik im Sanktionsbereich auch für das BMF eine Herausforderung, insbesondere, da es für die innerstaatliche Umsetzung der EU-Beschlüsse noch kaum erprobte Prozesse gibt. Mit den Sanktionen einher geht eine Verschärfung der Sorgfaltspflichten in der Geldwäschebekämpfung. Zur (über-)vorsichtigen Haltung vieler Banken führten vor allem die hohen Strafdrohungen des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control (OFAC), erklärte Scheucher. Mit dem aktuellen EU-AML-Paket werden die Sorgfaltspflichten künftig auch für Nicht-Finanzinstitutionen deutlich verschärft, auf Verordnungsebene gehoben und damit europaweit vereinheitlicht. Bis etwa 2024 haben Unternehmen noch Zeit, sich auf die neuen Vorgaben einzustellen.

Interessante Fragen aus dem Publikum, © Leadersnet / C. Stowasser
Interessante Fragen aus dem Publikum

Im Gespräch mit dem Publikum ging die Expertenrunde auf viele weitere spannende Fragestellungen ein, etwa die, wie die „Kontrolle“ (z.B. eines Oligarchen) über ein Unternehmen zu definieren ist, welcher (Schieds-)Gerichtsstand in Verträgen wann vorteilhaft sein kann oder wie Russland Datenschutzgesetze strategisch zur Überwachung ausländischer Firmen einsetzt. 

Zum Abschluss präsentierte Matthias Dennig (targens) das cloudbasierte Softwaretool „Jardin“. Die neue Lösung von targens erlaubt eine strukturierte und risikoorientierte Einordnung aller Geschäftspartner und kann damit zu mehr Sicherheit im internationalen Geschäft beitragen.

Autoren

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Mag. Klaus Putzer

Mag. Klaus Putzer war von 2010 bis 2023 Redakteur bzw. Chefredakteur der Compliance Praxis. Zuvor war er in mehreren Verlagen als leitender Redakteur im Magazinbereich tätig bzw. arbeitete als frei...