18. September 2023
Der bloße Anschein schadet
Das BVergG 2018 sieht unter dem Titel „Vermeidung von Interessenkonflikten“ die grundlegende Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber zur Einrichtung einer internen Vergabe-Compliance vor. So hat gemäß § 26 BVergG 2018 „der öffentliche Auftraggeber […] geeignete Maßnahmen zur wirksamen Verhinderung, Aufdeckung und Behebung von sich bei der Durchführung von Vergabeverfahren ergebenden Interessenkonflikten“ zu ergreifen. Ein Interessenkonflikt liegt dann vor, wenn
- bei einer an einem Vergabeverfahren beteiligten Mitarbeiter*in
- direkt oder indirekt
- ein finanzielles, wirtschaftliches oder sonstiges persönliches Interesse vorliegt,
- das die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte.
Sanktioniert wird sohin eine Vermengung von Interessenlagen, die sich grundsätzlich aus jedem beliebigen Konstrukt ergeben kann. Gemäß § 26 BVergG 2018 kommen insbesondere folgende (Gegen-)Maßnahmen des Auftraggebers in Betracht:
- Einrichtung eines Compliance-Systems (dieses könnte zB beinhalten: Einsatz eines Compliance Officers, Erstellung eines Verhaltenskodex, Abhalten von Schulungen, Einführungen von Maßnahmen zur wechselseitigen Kontrolle im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips oder von stichprobenartigen Überprüfungen, Einführung von Vertraulichkeits- und Verschlüsselungsmaßnahmen);
- Einrichtung eines internen Revisions- oder Controlling-Systems;
- Aufklärungskampagnen über Meldepflichten bei Interessenkonflikten;
- Installation anonymer Meldesysteme betreffend Verdachtsfälle von Gesetzes- oder Compliance-Verstößen (Whistleblowing-System);
- personelle Durchgriffsrechte (zB Versetzungen).
Vergabe-Compliance als umfassende Verantwortung
Flankiert werden diese grundlegenden Pflichten von weiteren speziellen Pflichten des BVergG 2018, die eine „saubere“ Vergabe sicherstellen sollen. Beispielhaft können hier die Dokumentationspflichten genannt werden, die die Nachvollziehbarkeit und Transparenz des gesamten Beschaffungsprozesses sicherstellen sollen. Wesentlicher Bestandteil ist dabei die Führung eines Vergabeaktes und die Erstellung eines Vergabevermerks mit gesetzlich festgeschriebenem Mindestinhalt. Das BVergG 2018 sieht in diesem Kontext auch gesonderte Aufbewahrungspflichten vor, die vor allem in Hinblick auf eine nachträgliche Kontrolle von Relevanz sind.
Zusätzlich spielen (Sonder-)Gesetzliche Verpflichtungen – somit Pflichten außerhalb des BVergG 2018 – eine bedeutende Rolle: Beispielsweise bezweckt das HinweisgeberInnenschutzgesetz ausdrücklich die verbesserte Durchsetzung des Vergaberechts und verpflichtet somit öffentliche Auftraggeber zur Einrichtung eines internen Whistleblower-Systems.
Es ist somit deutlich, dass § 26 BVergG 2018 die Vergabe-Compliance nicht abschließend regelt (und dies auch nicht kann); vielmehr unterliegt die Vergabe-Compliance – als vergleichsweise junge Spezialdisziplin – einer gewissen Anfangsdynamik und fußt auf folgenden 3 Säulen („3Säulen der Vergabe-Compliance“):

Fazit
Die Vergabe-Compliance ist als neue Staatspflicht in § 26 BVergG 2018 gesetzlich verankert. Zentrale Ziele sind die Verhinderung von Günstlingswirtschaft, die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und die Gleichbehandlung aller Unternehmen. Die grundsätzliche Verpflichtung in § 26 BVergG 2018 regelt die Vergabe-Compliance jedoch nicht abschließend. Eine revisionsfeste und rechtskonforme Ausrichtung geht weiter und fußt auf den 3 Säulen „Grundlagen“, „Spezielle Pflichten“ und „(Sonder-)Gesetzliche Pflichten“. Jeder Auftraggeber ist angehalten, die erforderlichen Schritte zu setzen und basierend auf einer vergaberechtlichen Risikoanalyse ein passgenaues Compliance-System zu installieren.
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Heid und Partner Rechtsanwälte Gmbh
Top-Expertise in der Vergabe-Compliance sowie im Vergabe- und Nachhaltigkeitsrecht zeichnen die Lebenszyklus-Kanzlei aus.
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Mag. Berthold Hofbauer
Mag. Berthold Hofbauer ist Rechtsanwalt und Partner bei Heid & Partner Rechtsanwälte. Seine Spezialgebiete sind das Vergaberecht, das Nachhaltigkeitsrecht (Schwerpunkt: Green Public Procurement) un...