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OGH: Medienberichte als „Insolvenzindikator“

Medienberichte über die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens sind ein „Insolvenzindikator“, die ein Großgläubiger – im vorliegenden Fall ein Sozialversicherungsträger – nicht einfach ignorieren darf. Dies hat der Oberste Gerichtshof in einem aktuellen Urteil entschieden.
Von Redaktion
05. August 2016

Übereinstimmende Medienberichterstattung über die massive wirtschaftliche Krise eines Unternehmens kann für sich allein einen sogenannten Insolvenzindikator darstellen, der bei einem Großgläubiger wie einer Gebietskrankenkasse Erkundigungspflichten auslöst. Unterlässt der Gläubiger Nachforschungen, handelt es sich bei der Unkenntnis über die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens um eine Fahrlässigkeit.

Diese Erkundigungspflicht wird nicht schon dadurch beseitigt, dass sich aus nachfolgenden Medienberichten ergibt, dass das Unternehmen vorläufig „gerettet“ wurde, wenn der von mehreren Umständen abhängige Sanierungserfolg nicht absehbar ist.

Der Sachverhalt

Die spätere Insolvenzschuldnerin zahlte im Mai 2013 – rund einen Monat vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, als sie bereits zahlungsunfähig und insolvenzrechtlich überschuldet war – fällige Sozialversicherungsbeiträge an die beklagte Gebietskrankenkasse.

Die Schuldnerin war zwar mit ihren Beitragszahlungen an die Beklagte nicht in Rückstand geraten, diese hätte allerdings Medienberichten entnehmen können, dass Anfang des Jahres 2013 eine Insolvenz der Schuldnerin unmittelbar drohte und nur durch eine „in letzter Minute“ mit ihren Gläubigern erzielte Einigung über einen teilweisen Schuldenerlass vorläufig – unter der Prämisse des damals nicht absehbaren Erfolgs der Sanierung – abgewendet wurde.

Hätte die Beklagte aus Anlass dieser Medienberichte entsprechende Nachforschungen zur finanziellen Situation der Schuldnerin angestellt und die dabei gewonnenen Informationen ausgewertet, hätte sie zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs die materielle Insolvenz der Schuldnerin erkennen können.

Das Urteil

Die Vorinstanzen wiesen die vom Insolvenzverwalter erhobene, auf die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gestützte Anfechtungsklage bezüglich der Zahlung vom Mai 2013 ab.

Der Oberste Gerichtshof gab über Revision des Klägers dem Klagebegehren statt.

Er stellte klar, dass entgegen der Ansicht der Vorinstanzen die Rechtsprechung, wonach auch Medienberichte für sich allein – also ohne Hinzutreten von Zahlungsrückständen des Schuldners gegenüber dem beklagten Gläubiger – ein „Insolvenzindikator“ sein können, der eine Nachforschungspflicht eines Großgläubigers wie einer Gebietskrankenkasse begründet, auch im vorliegenden Fall zum Tragen kommt, weil die Medienberichte von Anfang 2013 keinen Zweifel an der unmittelbar drohenden Insolvenz ließen und auch in weiterer Folge bis zur angefochtenen Zahlung nicht etwa über die endgültige „Rettung“ des Unternehmens berichtet wurde, sondern nur über die geplante Sanierung, deren Erfolg jedoch nach wie vor fraglich war. (OGH, 13. 7. 2016, 3 Ob 92/16z)

(Quelle: OGH)

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