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Medienrecht: Urteil im Amstettener Inzestfall

Im Zusammenhang mit dem Inzestfall von Amstetten hat der OGH ein Urteil zu den „Grenzen zulässiger Berichterstattung“ getroffen: Medien dürfen den vollen Namen eines Verbrechensopfers auch dann nicht ohne Weiteres nennen, wenn er zuvor vom Anwalt des Opfers öffentlich gemacht wurde.
Von Redaktion
16. Februar 2011

Nachdem der Inzestfall von Amstetten am 26. April 2008 publik geworden war, machten sich vor allem Boulevardmedien daran, jedes Detail des Falls in Wort und Bild breit auszumalen. Die deutsche Zeitschrift Superillu ging in ihren Schilderungen besonders weit. In einem Artikel erfuhren Leser zahlreiche Details aus dem Leben der Amstettener Familie nach der Befreiung sowie aus dem Vorleben des Täters, wobei die Namen der Familienmitglieder, Orte und Daten explizit angeführt waren.

Dagegen klagte das Inzest-Opfer vor dem Landesgericht Wien. Während das Erstgericht der Klägerin Recht gab und Schadenersatz zubilligte, verneinte das Oberlandesgericht Wien als Berufungsinstanz den Anspruch auf Schadenersatz. Es gab vielmehr der Argumentation des beklagten Zeitschriftenverlags Recht, wonach der Name des Opfers von ihrem eigenen Anwalt im Fernsehen und gegenüber „Woman“ genannt worden war und daher davon auszugehen sei, dass das Opfer der Veröffentlichung ihres Namens zugestimmt habe. Somit sei nicht gegen das Mediengesetz verstoßen worden.

Diese Ansicht hat der OGH in einem aktuellen Urteil (15 Os 83/10k-7) verworfen: Ein Medium sei nur dann von Haftungsfolgen nach § 7a Abs 1 MedienG befreit, wenn das Verbrechensopfer einen Journalisten unter Aufgabe des gesetzlichen Schutzes der eigenen Interessen über die Tat informiere oder eine diesbezügliche Anfrage nach Zustimmung zur Veröffentlichung bejahend beantwortet habe.

Auch aus dem Auftritt des Anwalts im Fernsehen könne nicht das Einverständnis des Opfers zur öffentlichen Nennung seines Namens abgeleitet und die Haftung des Medieninhabers nach § 7a Abs 3 Z 3 MedienG ausgeschlossen werden. Bedeutsam sei vielmehr, ob und in welchem Umfang der zum Opferanwalt bestellte Rechtsanwalt legitimiert war, im Namen der Antragstellerin rechtswirksame Erklärungen gegenüber Medienvertretern anlässlich einer Fernsehsendung abzugeben.

Letztere Frage haben allerdings weder das Landesgericht noch das Oberlandesgericht untersucht. Aus diesem Grund hafte der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien ein „Rechtsfehler“ an, so der OGH abschließend.

(LexisNexis Rechtsnews, red)

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