Konsultation über kollektiven Rechtsschutz in Europa
09. Februar 2011
Kollektiver Rechtsschutz ist ein umfassendes Konzept, das sowohl Unterlassungsverfügungen als auch Schadenersatzklagen einschließt. Er ist klar von den Sammelklagen („class actions“) nach US-amerikanischem Recht zu unterscheiden. Die kollektiven Rechtsschutzverfahren sind in Europa sehr unterschiedlich ausgestaltet: Sie umfassen Klagen vor Gericht, außergerichtliche und alternative Streitbeilegungsverfahren sowie Verbandsklagen.
Kollektiver Rechtsschutz ist für die EU kein neues Konzept. Auf Unterlassung gerichtete kollektive Verfahren sind im EU-Verbraucherrecht gang und gäbe und auch im EU-Umweltrecht bekannt. Kollektive Schadenersatzverfahren gibt es hingegen in einigen, nicht aber in allen Mitgliedstaaten. Die Kommission startet deshalb eine breit angelegte öffentliche Konsultation mit Blick auf die "Entwicklung eines kohärenteren EU-Ansatzes für den kollektiven Rechtsschutz". Ziel dieser Konsultation ist es unter anderem, gemeinsame Rechtsgrundsätze zu ermitteln für den Fall, dass die Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag zum kollektiven Rechtsschutz vorlegt, und zu überlegen, wie diese Grundsätze in das Rechtssystem der EU und die 27 Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten integriert werden könnten.
Dabei stellt sich auch die Frage, in welchen Bereichen der kollektive Rechtsschutz (auf Schadenersatz und/oder Unterlassung gerichtet) einen Mehrwert in Bezug auf eine bessere Durchsetzung des EU-Rechts oder einen besseren Schutz der Geschädigten darstellen könnte.
Gleichzeitig wendet sich die Kommission entschieden gegen die Einführung von Sammelklagen („class actions“) nach US-amerikanischem Muster in das EU-Recht oder Bestimmungen, die Klagemissbrauch Vorschub leisten.
Die öffentliche Anhörung wird der Kommission Anhaltspunkte für ihre eigene Position in der Frage des kollektiven Rechtsschutzes liefern. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nichts entschieden. Bei der Überlegung, ob es überhaupt sinnvoll ist, im EU-Recht eine Regelung für den kollektiven Rechtsschutz vorzusehen, will die Kommission alle Meinungen berücksichtigen und den Grundsätzen der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und der Effektivität Rechnung tragen. Zum Abschluss der Konsultation wird eine mündliche Anhörung stattfinden. Die Ergebnisse werden anschließend von der Kommission in einer Mitteilung vorgestellt. Die Entscheidung, ob eine neue EU-Regelung erforderlich ist, wird letztlich von den Ergebnissen der Konsultation abhängen und gegebenenfalls von einer ausführlichen Folgenabschätzung, in der alle Optionen geprüft werden.
Hintergrund
Die Kommission arbeitet seit einigen Jahren an europäischen Normen für den kollektiven Rechtsschutz im Bereich des Verbraucher- und Wettbewerbsrechts. 2005 legte sie ein Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts vor, dem 2008 ein Weißbuch folgte. Beide Texte enthalten ein Kapitel über den kollektiven Rechtsschutz. 2008 veröffentlichte die Kommission zudem ein Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher. Vizepräsidentin Reding, Vizepräsident Almunia und Verbraucherkommissar Dalli erörterten die Probleme, die sich beim kollektiven Rechtsschutz stellen, während einer Grundsatzdebatte in der Kommissionssitzung vom 12. Oktober 2010. Auf dieser Grundlage wird heute die öffentliche Konsultation eingeleitet.
Autoren

Redaktion
Die LexisNexis Österreich & Compliance Praxis Redaktion versorgt Sie regelmäßig mit aktuellen News und Informationen aus der Compliance Welt. Unser Ziel ist es Ihre tägliche Arbeit bestmöglich zu u...