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Kartellrecht: Zusammenarbeit bei Medizinprodukten in der Coronakrise

Die Europäische Kommission lockert temporär die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, um die Versorgung von Krankenhäusern mit wichtigen Arzneimitteln nicht zu gefährden.
Von Redaktion
09. April 2020

Die EU-Kommission hat eine Mitteilung über einen Befristeten Rahmen für die Prüfung kartellrechtlicher Fragen der Zusammenarbeit von Unternehmen in Notsituationen aufgrund der Corona-Krise veröffentlicht.

In diesem Zusammenhang erstellt sie auch eine Bescheinigung („Comfort Letter“) für ein konkretes Kooperationsvorhaben, mit dem Engpässe bei der Versorgung der Krankenhäuser mit wichtigen Arzneimitteln vermieden werden sollen.

Die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides  für hat Leitlinien vorgelegt, um die Lieferung und Verfügbarkeit von Arzneimitteln während der Pandemie zu vermeiden.

Die Mitteilung über den Befristeten Rahmen

Der Coronavirusausbruch hat einen allgemeinen Versorgungsschock ausgelöst, da Lieferketten unterbrochen wurden und die Nachfrage nach bestimmten Waren und Dienstleistungen, insbesondere im Gesundheitswesen, stark anstieg.

Aufgrund dieser Umstände drohen nun Engpässe bei wichtigen medizinischen Produkten, die sich im weiteren Verlauf der Pandemie verschärfen können. Dies betrifft vor allem Arzneimittel und medizinische Ausrüstung für die Behandlung von Coronaviruspatienten. Durch den Coronavirusausbruch bedingte Versorgungsengpässe können auch außerhalb des Gesundheitswesens bei anderen unentbehrlichen Waren und Dienstleistungen auftreten.

Zur raschen Bewältigung dieser Schocks und Vermeidung von Engpässen kann die zügige Koordinierung zwischen Unternehmen letztlich zum Nutzen der Bürger erforderlich sein, um die Krise zu überwinden oder zumindest ihre Auswirkungen abzufedern. Zu diesem Zweck müssen Unternehmen möglicherweise ihre Produktion so effizient wie möglich umstellen oder hochfahren. Vielleicht müssen sie auch ihre Produktion, Lagerhaltung und möglicherweise den Vertrieb abstimmen, damit sich nicht alle Unternehmen auf ein oder einige wenige Arzneimittel konzentrieren, während andere Arzneimittel nicht in ausreichender Menge produziert werden. Normalerweise würde eine solche Koordinierung gegen das Kartellrecht verstoßen. Vor dem Hintergrund einer Pandemie kann eine solche Koordinierung jedoch von großem Nutzen für die Bürger sein.

Der Befristete Rahmen soll kartellrechtliche Fragen von Unternehmen klären, die vorübergehend zusammenarbeiten und ihre Tätigkeiten abstimmen möchten, um die Produktion möglichst effizient zu steigern und insbesondere die Lieferung dringend benötigter Arzneimittel für Krankenhäuser zu optimieren.

In der Mitteilung über den Befristeten Rahmen werden die wichtigsten Kriterien erläutert, die die Kommission bei der Prüfung dieser möglichen Kooperationsvorhaben zugrunde legen wird.

Comfort Letters

Die Kommission wendet auch dieses in der Mitteilung beschriebene Verfahren mit der Übermittlung eines Comfort Letters an Medicines for Europe https://www.medicinesforeurope.com/medicines-for-europe/ (vormals European Generics Medicines Association, EGA) erstmals an. Die Bescheinigung wird für ein konkretes Projekt der Zusammenarbeit zwischen Arzneimittelherstellern (die zum Teil, aber nicht alle, Mitglieder dieses Verbands sind) ausgestellt, mit dem drohende Engpässe bei Arzneimitteln, die Krankenhäuser dringend für die Behandlung von Coronaviruspatienten benötigen, behoben werden sollen. Der größte Teil der Arzneimittel, die nun schnellstens in großen Mengen geliefert werden müssen, um Engpässe in Krankenhäusern zu vermeiden, wird von Generikaherstellern produziert.

In der gegenwärtigen Lage scheint diese vorübergehende Zusammenarbeit angesichts ihres Ziels kartellrechtlich vertretbar, solange sie nicht enger ist, als der Kommission mitgeteilt wurde. Außerdem wurden hinreichende Vorkehrungen getroffen, um keinen Anlass zu Wettbewerbsbedenken zu geben.

Keine Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht aufgrund der Krise

Gleichzeitig weist die Kommission darauf hin, dass es unter den derzeitigen außergewöhnlichen Umständen wichtiger ist denn je, dass Unternehmen und Verbraucher durch das Wettbewerbsrecht geschützt werden. Die Kommission wird daher alle einschlägigen Marktentwicklungen weiterhin aufmerksam und aktiv verfolgen, um Unternehmen ausfindig zu machen, die die derzeitige Situation ausnutzen und durch wettbewerbswidrige Vereinbarungen oder den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung gegen das EU-Kartellrecht verstoßen.

(Quelle: EU-Kommission)

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