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EuGH zur Patentklage eines marktbeherrschenden Unternehmens

Die Erhebung einer Unterlassungsklage durch den marktbeherrschenden Inhaber eines standardessenziellen Patents gegen einen angeblichen Patentverletzer kann unter bestimmten Umständen einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstellen.
Von Redaktion
20. Juli 2015

Rechtslage

Nach dem Unionsrecht soll die Ausübung ausschließlicher Rechte, die mit einem Recht des geistigen Eigentums, wie etwa einem Patent, verbunden sind, gewährleistet werden, zugleich aber auch der freie Wettbewerb erhalten bleiben. Zum Verhältnis dieser beiden Ziele hat der Gerichtshof bereits ausgeführt, dass die Ausübung solcher ausschließlichen Rechte (wie des Rechts, eine Patentverletzungsklage zu erheben) zu den Vorrechten des Inhabers gehört. Sie stellt als solche also keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgeht. Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann die Ausübung des ausschließlichen Rechts ein missbräuchliches Verhalten darstellen.

Anlassfall

Der vorliegende Fall weist jedoch laut EuGH Besonderheiten gegenüber dieser Rechtsprechung auf. Zum einen betrifft er ein „standardessenzielles Patent“ (SEP). Das ist ein Patent, das unerlässlich ist, um Produkte herzustellen, die dem Standard, mit dem es verbunden ist, entsprechen.

Zum anderen hat das Patent den Status eines SEP nur erlangt, weil sich sein Inhaber gegenüber der betreffenden Standardisierungsorganisation unwiderruflich verpflichtet hat, Dritten zu FRAND-Bedingungen (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory) Lizenzen zu erteilen.

Der Telekommunikationskonzern Huawei ist Inhaber eines europäischen Patents, das das Unternehmen beim European Telecommunication Standards Institute (ETSI) als für den „Long Term Evolution“-Standard essenzielles Patent anmeldete. Dabei verpflichtete sich Huawei, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen.

Huawei erhob vor dem Landgericht Düsseldorf (Deutschland) eine Patentverletzungsklage gegen die internationale ZTE-Gruppe. Diese Gruppe benutzt das für den „Long Term Evolution“-Standard essenzielle Patent von Huawei, zahlt dafür aber keine Lizenzgebühren. Huawei hat ZTE auf Unterlassung, Rückruf, Rechnungslegung und Schadensersatz geklagt, nachdem Gespräche mit dem Mitbewerber über die Möglichkeit einer Lizenzerteilung zu FRAND-Bedingungen gescheitert waren.

Das Landgericht bittet den Gerichtshof, die Bedingungen zu präzisieren, unter denen ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung wie Huawei diese Stellung dadurch missbraucht, dass es eine Patentverletzungsklage erhebt.

EuGH-Entscheidung

In seinem Urteil vom 16. Juli 2015 unterscheidet der Gerichtshof zwischen Klagen auf Unterlassung oder Rückruf und Klagen auf Rechnungslegung und Schadensersatz.

Zum ersten Typ von Klagen entschied der Gerichtshof, dass der Inhaber eines für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essenziellen Patents, der sich gegenüber dieser Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht dadurch missbraucht, dass er eine Patentverletzungsklage auf Unterlassung der Beeinträchtigung seines Patents oder auf Rückruf der Produkte, für deren Herstellung diese Patent benutzt wurde, erhebt, wenn

  • er zum einen den angeblichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hingewiesen hat und dabei das fragliche Patent bezeichnet und angegeben hat, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und zum anderen dem Patentverletzer, nachdem dieser seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung angegeben hat und

  • dieser Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot nicht mit Sorgfalt, gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben reagiert hat, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und u. a. impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird.

Der angebliche Patentverletzer, der das Angebot des SEP-Inhabers nicht angenommen hat, kann sich auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich eine konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht.

Zum zweiten Typ von Klagen stellt der Gerichtshof fest, dass ein Unternehmen unter Umständen wie den vorliegenden den angeblichen Verletzer seines Patents sehr wohl auf Rechnungslegung oder auf Schadensersatz klagen darf. Diese Klagen haben nämlich keine unmittelbaren Auswirkungen darauf, ob dem Standard entsprechende, von Wettbewerbern hergestellte Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben.

Weblink

Volltext des Urteils (Rechtssache C-170/13)

(Quelle: OGH)

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Redaktion

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