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Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen: Die Ernährungskrise

Ein Compliance-Verantwortlicher erzählt. – Zum Auftakt von einer Einführungsschulung für das Management-Team – die allerdings gehörig aus dem Ruder läuft.

10. März 2015

Leichte Anspannung ist zu spüren. Ich kann es nicht leugnen. Heute findet ein wichtiger Workshop statt. Compliance wird ins Unternehmen ausgerollt und stellt sich der ersten echten Bewährungsprobe: einem Workshop vor der versammelten Führungsmannschaft. Überschaubare Inhalte zu den Themen Korruption und Kartellrecht stehen auf dem Programm. Mit einer Einführung ins Thema, die so intensiv ist, dass man sie bestenfalls als homöopathisch bezeichnen kann.

Die leichte Anspannung steigert sich. Ich baue den Beamer und alles andere auf. Bereite mich innerlich auf den Workshop vor. Sehr knapp vor neun Uhr beginnt sich der Raum zu füllen. Und tatsächlich: um neun Uhr sind alle da. Der Chef und seine ganze Entourage, insgesamt zwanzig Personen. Sie schauen mich an. Bestenfalls neutral, aber doch eher ablehnend. Ich beginne zu reden und merke gleich, dass da etwas in der Luft liegt. Was genau, ist mir noch nicht klar.

"Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, Sie hier heute begrüßen zu dürfen und Ihnen eine erste Einführung zum Thema Compliance zu geben."

So fahre ich fort und arbeite mich durch die Folien. Nach zwanzig Minuten, somit gerade am Beginn des Workshops, meldet sich der Chef zu Wort. Er wendet sich direkt an seine Mitarbeiter, nicht etwa an mich.

"Das ist ja sehr interessant, was wir hier hören!"

Jetzt bin ich aber neugierig, was da folgt.

"Kolleginnen und Kollegen! Wie gesagt, das ist ja sehr interessant, was wir hier hören. Aber wenn wir das so machen, dann machen wir keinen Umsatz mehr. Und dann kann ich Eure Gehälter nicht mehr zahlen. Und dann verhungern Eure Kinder!"

Erstaunte Blicke.

Ich starre in das Auditorium, das sich jetzt auch die Fragen ihres Chefs stellt. Die Sorge um ihre verhungernden Kinder nimmt überhand.

Murmeln. Die lieben Kleinen sollen verhungern? Und das alles nur wegen Compliance?

Kalte Ablehnung schlägt mir entgegen. Ich blicke auf die Leinwand und lese, was der Beamer denn da Schlimmes an die Wand wirft. Was die Ursache für verhungernde Kinder mitten in Europa ist.

Und lese:

"BESTECHUNG
IST IMMER UND ÜBERALL
ILLEGAL"

Hinweis

Die Blog-Serie "Erlebnisse eines Compliance-Verantwortlichen" handelt von den Erfahrungen eines Compliance Officers aus einem österreichischen Unternehmen Tag für Tag, in den "Mühen der Ebene". Aus naheliegenden Gründen bleibt der Verfasser ungenannt. Die Berichte sind authentisch.

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