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EU-Kommission prüft Fusion von Frankfurter und Londoner Börse

Die Europäische Kommission wird in einer eingehenden Untersuchung prüfen, ob der geplante Zusammenschluss zwischen der Deutschen Börse AG (DB) und der London Stock Exchange Group (LSE) den Wettbewerb in bestimmten Bereichen der Finanzmarktinfrastruktur einschränken würde.
Von Redaktion
30. September 2016

Bei dem geplanten Zusammenschluss würden die Tätigkeiten von DB und LSE zusammengelegt. Durch den Zusammenschluss der Börsen Deutschlands, des Vereinigten Königreichs und Italiens sowie einiger der größten europäischen Clearingstellen würde der mit Abstand größte europäische Börsenbetreiber entstehen.

Vorläufige Bedenken der Kommission

Nach einer ersten Marktuntersuchung hat die Kommission in folgenden Bereichen Bedenken:

a) Clearing

Mit dem Zusammenschluss würden einige der größten Clearinghäuser (CCPs) in Europa miteinander verschmelzen. CCPs übernehmen das „Clearing“ von Geschäften: sie sind zwischen den Vertragsparteien einer Transaktion angesiedelt und übernehmen das gegenseitige Ausfallrisiko. Zur Absicherung dieses Risikos müssen die Marktteilnehmer den Clearinghäusern Sicherheiten zur Verfügung stellen. Diese werden für gewöhnlich als „Margin“ bezeichnet. Das fusionierte Unternehmen würde über den weltweit größten Margin-Pool in Höhe von 150 Mrd. Euro verfügen.

Die Kommission hat zum jetzigen Zeitpunkt Bedenken, die Zusammenlegung der Clearinghäuser der beteiligten Unternehmen könnte

  • in einigen Bereichen, wie bei Anleihen, Derivaten und Rückkaufsvereinbarungen (Repos), den Wettbewerb ausschalten,

  • konkurrierende Handelsplätze, die auf die Dienste der Clearinghäuser der LSE (LCH.Clearnet) angewiesen sind, beeinträchtigen,

  • Wettbewerber in verschiedenen Post-trade Märkten, wie der Verwaltung, Abwicklung und Verwahrung von Sicherheiten, beeinträchtigen,

b) Derivate

Derivate sind Finanzinstrumente, deren Wert sich von der Entwicklung der ihnen zugrundeliegenden Vermögenswerte ableitet. Während die zur DB gehörende Eurex weltweiter Marktführer bei börsengehandelten langfristigen Zinsderivaten ist, ist die zur LSE gehörende SwapClear der mit Abstand größte Akteur beim Clearing von Zinsderivaten, die außerbörslich im Rahmen so genannter OTC-Geschäfte gehandelt werden. Beide beteiligten Unternehmen sind kürzlich in direkten Wettbewerb in Bezug auf die Aktivität des jeweils anderen getreten bzw. sind im Begriff, dies zu tun. Die Kommission hat Bedenken, dass der geplante Zusammenschluss diese Entwicklung gefährden könnte.

Vorläufige Bedenken hat die Kommission auch im Hinblick darauf, dass der geplante Zusammenschluss zu einer monopolartigen Stellung bei Einzelaktien-Terminkontrakten und -Optionen, denen italienische Wertpapiere zugrunde liegen, führen könnte, da die beteiligten Unternehmen dort faktisch die einzigen Wettbewerber sind.

c) Rückkaufsvereinbarungen (Repos)

Rückkaufsvereinbarungen spielen bei der kurzfristigen Refinanzierung von Marktteilnehmern eine wichtige Rolle. Sie haben seit der Finanzkrise an Bedeutung gewonnen, denn durch sie lassen sich auf sicherem Wege kurzfristig Finanzmittel beschaffen. Die beteiligten Unternehmen stehen bei einer bestimmten Art von Repo-Geschäften (dreiseitigen Geschäften) eng miteinander im Wettbewerb und sind zurzeit ebenfalls die einzigen Anbieter von Clearing-Diensten für diese Vereinbarungen. Die Kommission hat Bedenken, dass der Wettbewerb an den Repo-Märkten nachlassen könnte.

d) Deutsche Aktien

Durch den Zusammenschluss würden zwei der drei derzeit größten Handelsplätze für börsennotierte deutsche Aktien zusammengelegt. Die Kommission hat zum jetzigen Zeitpunkt Bedenken, dass das Vorhaben bei diesen Produkten zu einem erheblichen Verlust an Wettbewerb führen könnte.

e) Börsengehandelte Produkte (ETPs)

Auch würden bei dem geplanten Zusammenschluss zwei der größten Anbieter für Notierung, Handel und Clearing börsengehandelter Produkte zusammengelegt. Letztere umfassen auch börsengehandelte Fonds (ETFs), die als passive Anlageinstrumente genutzt werden und zunehmend an Beliebtheit gewinnen. Die Kommission hat zum jetzigen Zeitpunkt Bedenken, dass der Wettbewerb an den genannten Märkten geschwächt werden könnte.

f) Sonstige Märkte

Die Kommission wird die eingehende Untersuchung auch für eine weitergehende Analyse der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb an anderen Märkten nutzen, wie bei i.) der internationalen Notierung von Gesellschaften, die nicht aus dem EWR stammen, ii.) dem elektronischen Händler-zu-Händler-Handel mit deutschen Staatsanleihen, wo die beteiligten Unternehmen die größten Akteure am Markt sind, iii.) der Zulassung von Indizes, wo die beteiligten Unternehmen die größten europäischen Index-Familien, nämlich DAX, STOXX und FTSE Russell, auf sich vereinen, iv.) Handel und Clearing von Frachtderivaten, v.) Abwicklung und Verwahrung von Sicherheiten, vi.) IT-Diensten und vii.) Dienstleistungen in Bezug auf aufsichtsrechtliche Meldepflichten.

Der Zusammenschluss wurde am 24. August 2016 bei der Kommission angemeldet. Diese hat nun 90 Arbeitstage, d. h. bis zum 13. Februar 2017, um einen Beschluss zu fassen. Die Einleitung einer eingehenden Prüfung lässt keine Schlüsse auf deren Ergebnis zu.

(Quelle: EU-Kommission)

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