Diskriminierende Kündigung nach falscher Angabe über Behinderung
05. Februar 2016
Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber erst über einen Bescheid des Bundessozialamtes von der Behinderung eines seiner Mitarbeiter erfahren. Der Schweißer hatte bereits über ein Jahr ohne Probleme bei der Firma gearbeitet, seine Behinderung – eine nicht offensichtliche Bindegewebsschwäche – aber nie offengelegt bzw. bei einer ärztlichen Untersuchung auch bewusst verschwiegen. Der Arbeitgeber kündigte den Mitarbeiter mit den Argumenten, dass ein Vertrauensverlust eingetreten sei bzw. auch nicht klar sei, ob der Mitarbeiter aufgrund der Behinderung für die ihm übertragenen Aufgaben überhaupt geeignet sei.
Dazu stellte der Oberste Gerichtshof in erster Rechtsprechung unter anderem Folgendes fest:
Grad der Behinderung ist für Diskriminierung nicht maßgeblich
Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung gekündigt, kann er die Kündigung wegen unzulässiger (Beendigungs-)Diskriminierung bei Gericht anfechten. Bei der Definition der Behinderung wurde diesbezüglich bewusst eine weite Definition gewählt: Maßgeblich ist nicht der Grad der Behinderung, sondern nur der Umstand, dass sich daran eine Diskriminierung knüpfen kann.
Damit der Diskriminierungsschutz Behinderter effektiv ist, muss weiters bereits bei der Zuschreibung einer Behinderung und dem damit verbundenen Vorurteil angesetzt werden, ein behinderter Arbeitnehmer könne keine vollwertige Arbeitsleistung erbringen.
Der Kausalzusammenhang zwischen der Kündigung und dem geschützten Merkmal (Behinderung) ist folglich auch dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber in der unrichtigen Annahme, es liege beim Arbeitnehmer eine Behinderung vor, diese zum Anlass der Kündigung nimmt.
Arbeitnehmer trifft keine Offenlegungspflicht über Behinderung
Im vorliegenden Fall war der begünstigte Behinderte anstandslos schon mehr als ein Jahr beim Arbeitgeber tätig und es war bei seinen Tätigkeiten auch keine Einschränkung seiner Einsatzfähigkeit und kein Gefährdungspotenzial für sich oder andere hervorgekommen.
Somit bestand für den Arbeitgeber weder für die Begründung noch für das laufende Arbeitsverhältnis ein Informationsbedürfnis betreffend die Behinderung des Arbeitnehmers und den Arbeitnehmer traf insofern keine Offenlegungspflicht.
Auch wenn der Arbeitnehmer daher über Nachfrage des Arbeitgebers unrichtige Angaben über seinen Behindertenstatus gemacht und die geforderten Befunde über seine Behinderung nicht vorlegt hat, kann der Arbeitgeber damit die Kündigung nicht rechtfertigen, die in der (jedenfalls vermeintlichen) Behinderung begründet ist.
Weblink
Das Urteil im Volltext (OGH 26. 11. 2015, 9 ObA 107/15y)
(Quelle: LexisNexis Rechtsredaktion)
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