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19. Compliance Netzwerktreffen: Braucht der Mittelstand Compliance?

Stellt Compliance für den Mittelstand Luxus oder Notwendigkeit dar? Diese Fragestellung polarisiert – und sie interessiert. Rund 150 Gäste hörten sich beim Compliance Netzwerktreffen am 20. Oktober die Podiumsdiskussion dazu an.
Von Redaktion
27. Oktober 2015 / Erschienen in Compliance Praxis 4/2015, S. 46

Der Compliance-Begriff sickert langsam von Banken und AGs in die Breite des Wirtschaftslebens. Aber: Brauchen Mittelständler denn wirklich Compliance, ist das Thema „Notwendigkeit oder Luxus“? Unter diesem Titel diskutierte Martin Eckel, Partner bei Taylor Wessing Rechtsanwälte, mit drei Experten: Barbara Weinwurm-Gneißl, Leiterin Recht und Compliance der Ottakringer Getränke AG, Artur Schuschnigg, Referent der Abteilung für Rechtspolitik in der WKÖ, und Josef Schwarzecker, Leiter Risikomanagement, Compliance und M&A bei der PORR AG.

Sei es die aktuelle Themenstellung, sei es die zentrale Lage des Veranstaltungsorts Novomatic Fourm, nicht weniger als 150 Gäste durfte Alberto Sanz de Lama, seit Sommer neuer Geschäftsführer von LexisNexis Österreich, zur Veranstaltung begrüßen. Als Host des Treffens fungierte bereits zum zweiten Mal die internationale Kanzlei Taylor Wessing, die seit zwei Jahren Partner im Compliance Netzwerk Österreich ist.

Eckel: „Das richtige Augenmaß finden“

Eingangs der Diskussion stellte Moderator Martin Eckel fest: Die Gesetze gelten unabhängig von der Größe eines Unternehmens. Im Ernstfall besteht der Unterschied zwischen Großen und Kleinen nur darin, dass die Strafen für Mittelständler existenzgefährdend sein können. Wie sich am Beispiel Kartellrecht gezeigt habe, gehörten die mit Kartellbußen belegten österreichischen Unternehmen letzthin durchwegs zum Mittelstand. Allerdings sei bei der Umsetzung eines CMS natürlich auf die Größe des Unternehmens zu achten. Es komme auf die „zumutbare“ und „den Umständen gebotene Sorgfalt“ an, so Eckel. Kurz: Auf das richtige Augenmaß.

Am Podium

  • Dr. Artur Schuschnigg, Referent der Abteilung für Rechtspolitik | WKO

  • Ing. Mag. Dr. Josef Schwarzecker, Leiter Risikomanagement, Compliance und M & A | PORR AG

  • Mag. Barbara Weinwurm-Gneißl, Leitung Rechtsabteilung und Compliance | Ottakringer Getränke AG

  • Moderation: Mag. Martin Eckel, Partner & Head of Compliance CEE | Taylor Wessing

Schuschnigg: „Nicht narrisch machen lassen“

Rundweg anders, nämlich klar ablehnend, sieht Artur Schuschnigg das Thema. Compliance sei ein in allen möglichen Zusammenhängen genanntes „Unwort“ ohne gesetzliche Definition. In der Literatur gingen Kraut und Rüben durcheinander. Die Leute wüssten nicht, was sie mit diesem „leeren Wort“ anfangen sollen, vor allem auch, weil es inhaltlich um etwas gehe, was schon seit Jahrtausenden gilt: Die Prinzipien vom ehrbaren Kaufmann.

Daneben erlasse der Gesetzgeber eine Flut unverständlicher Gesetze. „Krassestes Beispiel“ seien die neuen Korruptionsstrafbestimmungen. „Sie verletzen eine Maxime im Strafrecht, wonach der Rechtsunterworfene intuitiv erkennen muss, was richtig und was falsch ist“, so Schuschnigg. Hier habe der Gesetzgeber „schwer danebengehauen“. Dazu kämen der hohe mediale Druck und der Druck in den Unternehmen selbst, die gesetzliche Bestimmungen aus Angst vor Sanktionen in besonders strenge interne Regeln übersetzten. Fazit: Man solle sich trotz einer Risikoanalyse „nicht narrisch machen lassen“ und problemorientiert handeln.

Weinwurm-Gneißl: „Müssen wir jetzt salutieren?“

Aber nicht nur der Gesetzgeber übt Druck aus, auch die Anforderungen von Geschäftspartnern steigen, weiß Barbara Weinwurm-Gneißl aus der Praxis zu berichten. So habe ein Telekomanbieter, der in den Partyräumen der Ottakringer Brauerei eine Feier abhalten wollte, einen fünf Seiten langen Compliance-Fragebogen übermittelt. Mit solchen Anforderungen müssen auch kleinere Betriebe zurechtkommen, wollen sie nicht Geschäft verlieren.

Die Motivation der Vorstands, einen Compliance-Beauftragten zu berufen, liege meist in der Frage: „Wie habe ich die Sicherheit, dass alle Gesetze und Regeln ordentlich umgesetzt werden?“ So kam auch Weinwurm-Gneißl zu ihrer neuen, zusätzlichen Aufgabe als Compliance-Verantwortliche. Erste Reaktion aus der Belegschaft: „Müssen wir jetzt salutieren?“ Vor allem im Mittleren Management sorgte man sich, zu viel Energie in Dokumentationen und Prozesse stecken zu müssen.

Doch kein Unternehmen fängt in Sachen Compliance auf der grünen Wiese an. Bei Ottakringer war beispielsweise das Thema Produktsicherheit schon perfekt abgedeckt, wie sich nach einem Risk Assessment herausstellte, sodass sich die neue Verantwortliche ganz den klassischen Compliance-Themen widmen konnte.

Schwarzecker: „Kostenfrage nicht abschätzbar“

Eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung gestaltet sich indes schwierig, so Josef Schwarzecker. Das Problem sei, ein System zu schaffen, „von dem man nicht das Gefühl hat, dass es überbordend ist“. Dieses hängt in erster Linie vom Gefährdungspotenzial ab. Es sei ein Unterschied, ob eine Firma „Sprengstoff oder Erstkommunionskerzen“ herstellt.

Als plakatives Beispiel für die Kosten von Non-Compliance nannte Schwarzecker die deutsche Imtech. Das an der Errichtung des Berliner Flughafens BER beteiligte Bauunternehmen wurde vor kurzem von der Porr erworben. „Imtech hatte so abenteuerliche Compliance-Themen, dass die Firma mit 4.000 Mitarbeitern innerhalb kürzester Zeit pleiteging“, illustriert Schwarzecker den Luxus von Non-Compliance.

Fazit: Die Anforderungen steigen

Einig waren sich die Diskutanten darin, dass sich der Druck zur Einhaltung gesetzlicher und anderer Vorgaben von mehreren Seiten – Gesetzgeber, Rechtsprechung, Medien, Kunden, Geschäftspartner – erhöht und dass darauf zu reagieren ist. Wie diese Reaktion aussehen soll, das wird auch in Zukunft Gegenstand von Diskussionen sein.

Am anschliessenden Netzwerktreffen nahmen unter anderem teil:

Frank Arnold, CO Commerzbank; Mag. Gottfried Berger, Leiter Interne Revision Novomatic; Dr. Maximilian Burger-Scheidlin, GF ICC Austria; Dr. Britta Druml, CO Novomatic; Jörg Fuchslueger, BIConcepts; Rechtsanwältin Dr. Bettina Hörtner; Dr. Peter Jonas, Director, Austrian Standards; Mag. Wolfgang Kapek, Partner Taylor Wessing; Mag. Manfred Klika, CO RWA; Mag. Georg Konrad, Partner CHSH; DDr. Peter Prebil, Head of Integrated Compliance Risk Management Erste Group; Mag. Dr. Wilhelm Rasinger, Präsident d. IVA; Mag. Rudolf Schwab, CO Telekom Austria; Mag. Walter Schwarz, CCO Unicredit Bank Austria; Dr. Armin Toifl, ATcons; Dr. Gerald Trieb, Preslmayr Rechtsanwälte; Christoph Voglmayr, SER Solutions u.v.a.

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