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„Compliance“ – eine Wortklauberei

Im Nebensatz eines Urteils haben VwGH-Juristen kürzlich eingemahnt, den Terminus „Compliance“ in der betriebswirtschaftlichen Diskussion doch bitte etwas „zweckmäßiger“ zu verwenden.
Von Mag. Klaus Putzer
19. Oktober 2011

In dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) vom April ging es um die Frage, ob ein Compliance Officer für eine irreführende Marketingmitteilung die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit zu tragen habe. Letztlich musste dann doch der Vorstand den Kopf dafür hinhalten. Marketingmitteilungen fielen nicht in die Zuständigkeit des Compliance-Verantwortlichen, erkannte das Gericht.

„Zweckmäßig“?

Die hier interessierende Aussage ist nur eine Randbemerkung, noch dazu in einem mehrfach verschachtelten Nebensatz gut versteckt. In der Passage (siehe Volltext des Urteils) zweifeln die Richter an, „ob der in der betriebswirtschaftlichen Diskussion gebräuchliche Begriff ‚Compliance‘ für das, was damit gemeint ist, zweckmäßig“ sei. Sie liefern auch gleich einen Vorschlag zum besseren Sprachgebrauch: Die mit „Compliance“ zusammengefassten Aufgaben sollten doch vielmehr mit „Compliance-Management“ oder „Compliance-Organisation“ wiedergegeben werden, „…geht es doch um organisatorische Maßnahmen, die die Einhaltung von Rechtsvorschriften, aber auch interner Regelungen (…), allenfalls auch von ethischen Standards…“ sicherstellen sollen.

Wortklauberei…

Stellt sich die Frage, weshalb der VwGH die Empfehlung abgibt, man solle doch „Compliance-Management“ statt „Compliance“ sagen. Betreiben die Richter hier Haarspalterei? Oder gibt es gute Gründe für die Präzisierung?

In dem zitierten Rechtsfall scheint wirklich ein Missverständnis vorgelegen zu haben. Der Vorstand war offensichtlich der Meinung, die Verantwortlichkeit für eine bestimmte Verfehlung beim Compliance Officer suchen zu können, obwohl in dessen Arbeitsvertrag klipp und klar seine Nicht-Zuständigkeit für den betreffenden Bereich geregelt war.

Ohne auf die Details eingehen zu wollen: Weshalb rutscht gerade der Compliance Officer in die Rolle des „Sündenbocks“? Könnte es sein, dass der allgemeine Sprachgebrauch diese Sichtweise bestärkt?

… oder zweckmäßige Präzisierung?

Der Vergleich zeigt: „Compliance“ bezeichnet die „Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien durch Unternehmen“ (Wikipedia) – „Compliance-Management“ umfasst folgerichtig alle organisatorischen Maßnahmen, um solches Wohlverhalten sicherzustellen.

In der Praxis wird nicht so klar differenziert. Unter dem Dach „Compliance“ hat sehr viel Platz (z.B. die Verpflichtungen der Kapitalmarkt-Compliance, interne Untersuchungen, Code of Conduct, Datensicherheit,  Antikorruptionstrainings etc.) und sehr oft wird „Compliance“ gleichbedeutend mit „Compliance-Management“ oder „Compliance-Abteilung“ verwendet.

Folgen wir der Sprachempfehlung des VwGH, dann ist die Compliance-Abteilung diejenige Stelle im Unternehmen, die alle organisatorischen Maßnahmen zu treffen hat, damit Kolleginnen und Kollegen – vom einfachen Vertriebsmitarbeiter bis hinauf zum Vorstandsvorsitzenden – rechtskonform, ethisch und den selbstauferlegten Vorgaben entsprechend agieren (können). Der Compliance Officer ist die für das Compliance-Management und die Compliance-Organisation zuständige Person.

Die Verwendung von „Compliance“ als Synonym für Compliance-Management birgt so gesehen doch eine Gefahr: Da „Compliance“ die „Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien durch Unternehmen“ bedeutet, könnte man meinen, die Abteilung „Compliance“ sei immer dann heranzuziehen, wenn Verhaltensmaßregeln, Gesetze und Richtlinien nicht eingehalten worden sind.

Dem Compliance-Verantwortlichen würde damit über seine organisatorischen Aufgaben hinaus die Rolle des Sündenbocks aufgebürdet, der stellvertretend für die ganze Firma rechtliche Verantwortung tragen soll.

Was natürlich ein Missverständnis ist: Trotz „Compliance“ – oder eben besser „Compliance-Management“ – im Unternehmen, ist es immer noch der einzelne Beschäftigte selbst, der für sein Fehlverhalten geradezustehen hat.

Autoren

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Sie liefern auch gleich einen Vorschlag zum besseren Sprachgebrauch: Die mit „Compliance“ zusammengefassten Aufgaben sollten doch vielmehr mit „Compliance-Management“ oder „Compliance-Organisation“ wiedergegeben werden, „…geht es doch um organisatorische Maßnahmen, die die Einhaltung von Rechtsvorschriften, aber auch interner Regelungen (…), allenfalls auch von ethischen Standards…“ sicherstellen sollen. </p> \n<h2>Wortklauberei…</h2> \n<p> Stellt sich die Frage, weshalb der VwGH die Empfehlung abgibt, man solle doch „Compliance-Management“ statt „Compliance“ sagen. Betreiben die Richter hier Haarspalterei? Oder gibt es gute Gründe für die Präzisierung? </p> \n<p> In dem zitierten Rechtsfall scheint wirklich ein Missverständnis vorgelegen zu haben. Der Vorstand war offensichtlich der Meinung, die Verantwortlichkeit für eine bestimmte Verfehlung beim Compliance Officer suchen zu können, obwohl in dessen Arbeitsvertrag klipp und klar seine Nicht-Zuständigkeit für den betreffenden Bereich geregelt war. </p> \n<p> Ohne auf die Details eingehen zu wollen: Weshalb rutscht gerade der Compliance Officer in die Rolle des „Sündenbocks“? Könnte es sein, dass der allgemeine Sprachgebrauch diese Sichtweise bestärkt? </p> \n<h2>… oder zweckmäßige Präzisierung?</h2> \n<p> Der Vergleich zeigt: „Compliance“ bezeichnet die „Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien durch Unternehmen“ (Wikipedia) – „Compliance-Management“ umfasst folgerichtig alle organisatorischen Maßnahmen, um solches Wohlverhalten sicherzustellen. </p> \n<p> In der Praxis wird nicht so klar differenziert. 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