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BWB ortet unerklärbare Entkopplung von Rohöl- und Spritpreisen

Eine Branchenuntersuchung der BWB hat ergeben, dass die stark gestiegenen Spritpreise an den Tankstellen nicht allein auf die gestiegenen Rohölpreise zurückgehen können. Mineralölkonzerne sollen sich dazu nun erklären.
Von Redaktion
12. Juli 2022

Vor dem Hintergrund stark steigender Preise am Kraftstoffmarkt und den daraus für Konsumenten und Unternehmen resultierenden Belastungen leitete die Bundeswettbewerbsbehörde BWB am 21.03.2022 eine Branchenuntersuchung im österreichischen Markt für Kraftstoffe ein.

Ergeben sich aus einer Branchenuntersuchung keine gerichtsfesten Hinweise auf Kartellierung oder Marktmachtmissbrauch, kann die BWB nicht unmittelbar strukturelle oder verhaltensbezogene wettbewerbsfördernde Auflagen anordnen bzw. beim Kartellgericht beantragen. Die BWB kann damit allerdings der Regierung, dem Parlament und der Öffentlichkeit durch Daten belegte Fakten zur Verfügung stellen, um eine evidenzbasierte Diskussion zu ermöglichen. Aus der Untersuchung ergeben sich laut BWB derzeit keine unmittelbaren Hinweise auf Kartellierung oder Marktmachtmissbrauch. Es wurden aber konkrete Anhaltspunkte für stark gestiegene Bruttomargen bei den Raffinerien festgestellt, die in Folge auch dargestellt werden.

Zur Sammlung aktueller Informationen versandte die BWB umfangreiche Auskunftsverlangen an alle internationalen Mineralölkonzerne, die Tankstellen in Österreich betreiben und Beteiligungen an Raffinieren halten, sprich an OMV, ENI, Shell, BP und JET. Weiter führte die BWB Interviews mit drei größeren Kraftstoffhändlern und größeren Tankstellenbetreibern, die keine Beteiligung an Raffinieren halten.

Ergebnisse der Untersuchung

Die Ergebnisse der Branchenuntersuchung zeigen, dass der überwiegende Teil des Preisanstiegs an den Tankstellen auf gestiegene internationale Preisnotierungen zurückzuführen ist. Gleichzeitig finden sich allerdings seit Beginn des Krieges in der Ukraine auch deutlich höhere Bruttomargen bei den Raffinerien (Bruttoraffinierungsmargen) der Mineralölkonzerne, sowie im März höhere Bruttomargen bei Tankstellen. Die von der BWB berechneten Bruttomargen sind branchenübliche Indikatoren, um die Änderung der Profitabilität bei Raffinerien darzustellen. Inwiefern Gewinne ebenso gestiegen sind, hängt von der Entwicklung der Kosten ab, die ebenfalls, aber nicht im gleichen Ausmaß, gestiegen zu sein scheinen:

  • Die BWB hat analysiert, ob die Preisanstiege an den Tankstellen aus der Entwicklung der Rohölpreise heraus erklärbar sind. Die Berechnungen haben ergeben, dass in der ersten Junihälfte gegenüber der Zeit vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine die um rund 36 Cent pro Liter Diesel und 41 Cent pro Benzin gestiegenen Preisnotierungen sich von den Rohölpreisen entkoppelt haben, da die Rohölpreise nur um rund 22 Cent pro Liter gestiegen sind.
  • Der aus dem Anstieg der Rohölpreise nicht erklärbare stärkere Anstieg der Preise (Entkoppelung) an den Tankstellen von Diesel und Benzin führte über diesen Zeitraum zu einer Verdreifachung der Bruttoraffinierungsmargen. Die Bruttoraffinierungsmargen stiegen bei Diesel um rund 14 Cent pro Liter und bei Benzin um rund 20 Cent pro Liter. Die Bruttoraffinierungsmarge ist die Grundlage der Raffineriegewinne, wobei noch andere moderat angestiegene Kosten abgezogen werden.
  • Auf Ebene der Tankstellen gibt es nur für März 2022 Hinweise auf substantiell erhöhte Bruttomargen der Tankstellen. In den Folgemonaten lagen die Bruttomargen nur noch leicht über ihrem Vorkriegsniveau. Andere Kostenkomponenten wie gestiegene Transportkosten und Unsicherheit am Markt sind bei der Beurteilung leicht erhöhter Bruttomargen bei Tankstellen allerdings zu berücksichtigen.
  • Die Untersuchung auf Ebene der Tankstellen legt den Schluss nahe, dass ein fehlender Wettbewerb zwischen Tankstellen nicht die Ursache für die gestiegenen Tankstellenpreise ist, sondern die Ursache insbesondere die gestiegenen internationalen Preisnotierungen sind. Für eine zukünftige rasche Weitergabe von Kostensenkungen an die Verbraucher wird weiterhin ein funktionierender Wettbewerb von Bedeutung sein.
  • Die Thematik der Preisnotierungen geht über die nationale Ebene hinaus. Die BWB wird entsprechend mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten.

Die Auswirkungen auf die Konsumenten kann beispielhaft folgendermaßen dargestellt werden: Umgerechnet auf eine 50 Liter Tankfüllung zahlen die Konsumenten durchschnittlich in der ersten Juni Hälfte gegenüber der Zeit vor Beginn des Krieges allein aufgrund des Anstiegs der Rohölpreise um 11 Euro netto mehr, sowohl bei Diesel als auch bei Benzin. Zusätzlich zahlen die Konsumenten aufgrund der Steigerung der Bruttomargen 9,50 Euro bei einer Tankfüllung Diesel und 10,50 Euro bei einer Tankfüllung Benzin netto mehr. Die Mehrwertsteuer kommt jeweils noch hinzu.

Möglichkeit von Stellungnahmen

Aufgrund der hohen volkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Themas sowie den dynamischen geopolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, ist es der BWB wichtig, den betroffenen Marktteilnehmern die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den vorläufigen Ergebnissen der Untersuchung zu geben. Bis zum 27.07.2022 können der BWB Stellungnahmen übermittelt werden.

Quelle: BWB

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