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Verätzte Patientin: Arzt haftet für von Apotheke falsch gemixte Arznei

Der Arzt muss die ihm auf der Arzneiflasche zur Verfügung stehenden Informationen vor dem Einsatz einer Arznei überprüfen. Insbesondere muss er überprüfen, ob der Inhalt seiner Verschreibung entspricht.
Von Redaktion
08. Mai 2016

Die Klägerin wurde 2014 im Zuge einer ärztlichen Behandlung bei einer Lokalanästhesie an ihrer Nasenschleimhaut verätzt, weil die vom beklagten HNO-Facharzt als Oberflächenanästhetikum verwendete Pantocain-Lösung von seiner Apotheke fälschlicherweise statt mit destilliertem Wasser zu 96 % mit Alkohol hergestellt wurde. Die Flasche der falsch gemischten Lösung wies in fettgedruckter Blockschrift mit 2 mm Höhe den Namen der Arznei mit „2 % PANTOCAIN LÖSUNG“ auf. Darunter befand sich die Zutatenliste in feinerer Schriftart gedruckt, aus der hervorgeht, dass es sich um eine Lösung mit Alkohol in hoher Konzentration handelt. Abgesehen von der beim Vorfall verwendeten Lösung belieferte die Betreiberin der Apotheke den Beklagten seit 2009 stets mit korrekt hergestellten Pantocain-Lösungen im Sinne seiner Bestellungen.

Die Klägerin begehrte als Schadenersatz unter anderem Schmerzengeld und Heilungskosten. Sie brachte zur Haftung des beklagten Arztes vor, er habe fahrlässig nicht auf das von der Apotheke auf der Flasche angebrachte Etikett geachtet.

Der Beklagte entgegnete, er habe sich auf die korrekte Zusammensetzung der Lösung entsprechend seinem Rezept verlassen können.

Das Erstgericht wies die Klagsforderung gegen den beklagten Arzt ab und verneinte dessen Verschulden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und erkannte mit Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Er führte aus, dass es  keine Überspannung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabs bedeutet, wenn der Arzt die ihm auf der Arzneiflasche zur Verfügung stehenden Informationen vor dem Einsatz der Arznei überprüft. Der Beklagte war im Anlassfall auch nicht gehindert, der gebotenen sorgfältigen Erfüllung des Behandlungsvertrags durch einen kurzen Blick auf die Flasche nachzukommen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er mit der Arznei bis zum Vorfall noch keine negativen Erfahrungen gemacht hat. Zudem ergibt sich aus der Apothekenbetriebsordnung 2005, dass ein Facharzt jedenfalls vor der erstmaligen Anwendung einer neuen Flasche prüfen muss, ob der Inhalt seiner Verschreibung entspricht. Dabei darf er sich gerade bei „magistralen“ – das heißt maßgeschneiderten – Zubereitungen nicht darauf verlassen, dass seiner Verschreibung entsprochen wurde, wenn Gegenteiliges augenfällig ist.

Weblink

Volltext der Entscheidung (OGH, 30. 3. 2016, 4 Ob 42/16d)

(Quelle: OGH)

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Redaktion

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