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Anwendung der „Business Judgement Rule“ bei Privatstiftungen

Im Rahmen eines aktuellen Urteils hat der OGH auch Aussagen zur Anwendung der „Business Judgment Rule“ bei Privatstiftungen gemacht.
Von Redaktion
25. April 2016

Im vorliegenden Fall wurde dem Vorstand einer Privatstiftung grobe Pflichtverletzung vorgeworfen. Ausgangspunkt war ein Vergleich mit den Begünstigten der Stiftung über eine Ausschüttung von 1,1 Mio. Euro, die jedoch an den Verbleib der Vorstandsmitglieder im Amt geknüpft worden war.

Diese Bedingung bedeutet nach Ansicht des OGH nicht zwingend, dass sich die Vorstandsmitglieder von sachfremden Interessen leiten ließen.

Streitigkeiten mit den Begünstigten beizulegen, liege ja gerade im Interesse der Stiftung. Dies gelte im konkreten Fall umso mehr, als rund um die gegenständliche Stiftung mehrere ähnliche Rechtsstreitigkeiten anhängig gewesen seien.

Die Vorstandsmitglieder handelten nach Ansicht des OGH im Rahmen des ihnen vorgegebenen Ermessens und stützten ihre Entscheidung auf dem Vorschlag eines unabhängigen Experten. Daher konnte nicht von einer groben Pflichtverletzung iSd § 27 Abs 2 Z 1 PSG ausgegangen werden.

Anwendung der Business Judgment Rule in Privatstiftungen

Im Rahmen des vorliegenden Urteils machte der OGH auch Aussagen zur Anwendung der aus dem anglo-amerikanischen Rechtsbereich stammenden „Business Judgment Rule“ bei Privatstiftungen.

Unter der Business Judgement Rule wird der Grundsatz verstanden, dass ein Manager, der das Wagnis einer unternehmerischen Entscheidung eingeht, nicht dafür haften soll, wenn sich seine Entscheidung zwar als Irrtum herausstellt und Schaden daraus resultiert, er aber bestrebt war, auf einer informierten Grundlage und frei von Interessenkonflikten das Beste für das Unternehmen zu bewirken.

Der Anwendungsbereich der Business Judgement Rule ist, so die OGH-Richter, nur dann eröffnet, wenn es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Vertretungsorgans handelt. Bei der Privatstiftung kann die Business Judgement Rule sowohl bei der Frage der Haftung der Vorstandsmitglieder als auch bei der Abberufung von Vorstandmitgliedern herangezogen werden.

Auch ein Stiftungsvorstand hat unternehmerische Entscheidungen zu treffen; darunter kann auch eine bewusste Nichtentscheidung (ein Unterlassen) in Bezug auf unternehmerische Belange subsumiert werden. Dieses Tatbestandselement ist im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Stiftungsvorstands weit auszulegen und nicht auf eine unternehmerische Tätigkeit im „technischen Sinn“ zu beschränken.

Dem Stiftungsvorstand kommt im Rahmen seiner Geschäftsführungs- und Vertretungsfunktion bei Ausübung seiner (unternehmerischen) Entscheidungen ein Ermessensspielraum zu, wenn er auf Grundlage ausreichender Information das seiner Ansicht nach Beste für die Privatstiftung erreichen will und sich nicht von sachfremden Interessen leiten lässt.

Er schuldet deshalb nicht einen bestimmten Erfolg, sondern nur eine branchen-, größen- und situationsadäquate Bemühung und hat die Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters einzuhalten. Die Grenze jeglichen Ermessens wird durch Gesetze und Verordnungen, aber auch durch die Stiftungsdokumente gezogen.

Weblink

Volltext des Urteils (OGH 23. 2. 2016, 6 Ob 160/15w)

(Quelle: LexisNexis Rechtsredaktion)

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Redaktion

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