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"Wrongful Birth": Informationspflichten einer Versicherungsmaklerin

Die Versicherungsmaklerin muss einen Klienten, der als Arzt auch Pränataldiagnostik anbietet, über geänderte Risiken bei seiner Berufshaftpflichtversicherung aktiv informieren. So etwa auch über ein OGH-Urteil zum Thema „wrongful birth“, das zu einer erhöhten Haftung des Arztes führen kann.
Von Redaktion
15. Juni 2016

Kommt es aufgrund eines Beratungsfehlers des behandelnden Arztes zur nicht gewollten Geburt eines behinderten Kindes, das bei richtiger Aufklärung abgetrieben worden wäre, wird dies als „wrongful birth“ bezeichnet. In einem vielbeachteten Urteil sprach der OGH 2006 aus, dass die Eltern eines so geborenen Kindes vom Arzt den gesamten Unterhalt und nicht nur den Unterhaltsmehraufwand einfordern können.

Im vorliegenden Fall hat eine Versicherungsmaklerin ihren Klienten – einen Gynökologen – nicht über dieses Urteil informiert. Das hätte sie aber müssen, urteilt der Oberste Gerichtshof (OGH 22. 3. 2016, 5 Ob 252/15t).

Weiter führt der OGH aus: Die Versicherungsmaklerin kann sich ihrer nachvertraglichen Informations- und Aufklärungspflicht nicht mit dem Argument entziehen, es sei ihr nicht zumutbar, laufend alle veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zu studieren, die bei einem Kunden zu einer Risikoerhöhung führen könnten, und alle Kunden sofort nach Veröffentlichung der OGH-Entscheidung von den Konsequenzen zu verständigen. Nach der Rechtsprechung des OGH kann von einem Makler nämlich erwartet werden, über einschlägige Probleme Bescheid zu wissen und richtige Auskünfte zu erteilen.

Als (hier) auf Ärzte spezialisierte Versicherungsmaklerin musste die beklagte Versicherungsmaklerin daher eine Wrongful-Birth-Entscheidung besonders berücksichtigen, die – notorisch – im Jahr 2006 für breites mediales Interesse und Aufsehen unter Ärzten, insbesondere Gynäkologen, sorgte. Die Bekanntgabe der Entscheidung reicht für die Erfüllung ihrer Pflichten nicht aus, geht es doch um die Verpflichtung der Versicherungsmaklerin zu einem Best-Risk-Management, somit die Prüfung, ob die Erhöhung des versicherten Risikos als Folge der Judikaturwende eine Erhöhung der Versicherungssumme empfehlenswert macht.

Die spezialisierte Versicherungsmaklerin – die von der Tätigkeit des Versicherungsnehmer im Bereich Pränataldiagnostik wusste – wäre daher verpflichtet gewesen, ihren Vertragspartner auf die Änderung der OGH-Rechtsprechung hinzuweisen und den bestehenden Versicherungsschutz zu diskutieren, weil der Zuspruch des gesamten Unterhalts für ein behindert geborenes Kind eine wesentliche Risikoerhöhung zur Folge hat.

Ein Pränataldiagnostiker, der von dem OGH-Urteil weiß, darf sich aber umgekehrt auch nicht passiv verhalten und bei der jährlichen Besprechung mit seiner Versicherungsmaklerin auf eine ausdrückliche Empfehlung warten. Spricht der Makler die Entscheidung und die Risikoerhöhung nicht selbst an, muss der Versicherungsnehmer zumindest nachfragen, welche Konsequenzen diese Entscheidung für eine ausreichende Versicherungsdeckung hat.

(Quelle: LexisNexis Rechtsredaktion)

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