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Krankenhaus: Einmalige Nachlässigkeit kein Grund für Entlassung

Eine einmalige Nachlässigkeit einer angestellten Klinikärztin in der Notsituation eines anaphylaktischen Schocks war kein Grund für eine „Fristlose“. Dies hat der OGH entschieden.
Von Redaktion
14. Oktober 2022

Fataler Spritzen-Irrtum

Bei der Akutbehandlung einer Patientin mit anaphylaktischem Schock in der Klinik der Beklagten trug die dort angestellte Ärztin (Klägerin) der zuständigen Diplomkrankenpflegerin telefonisch u.a. auf, eine Spritze mit 1 mg Adrenalin vorzubereiten. Diese verstand jedoch – auch nach mehrmaligem Nachfragen – anstatt Adrenalin „Noradrenalin“, weshalb sie dann „Noradrenalin“ vorbereitete. Zur Behandlung der Patientin nahm die Klägerin die vorbereitete Spritze, ohne die von der Diplomkrankenpflegerin in einer Nierentasse vorbereitete und abgelegte Ampulle zu kontrollieren. Sie ging davon aus, dass es sich um – wie angeordnet – 1 mg Adrenalin handelte, verdünnt auf 5 ml.

Nachdem die Klägerin der Patientin die Spritze verabreicht und von der Diplomkrankenpflegerin erfahren hatte, dass in der Spritze Noradrenalin war, leitet die Klägerin sofort und erfolgreich die Notfallbehandlung der Patientin ein.

Die Vorinstanzen sahen die von der Beklagten wegen Vertrauensunwürdigkeit ausgesprochene Entlassung als berechtigt an.

OGH widerspricht Vorinstanzen

Der Oberste Gerichtshof gab dem Klagebegehren, mit dem die Klägerin entlassungsabhängige Ansprüche geltend machte, hingegen statt.

Er begründete dies damit, dass bestimmte ärztliche Tätigkeiten wie das Vorbereiten und die Verabreichung einer Injektion an diplomierte Pflegepersonen delegiert werden dürfen. Ärztlich angeordnete Maßnahmen sind durch das diplomierte Pflegepersonal eigenverantwortlich durchzuführen. Die Klägerin musste daher grundsätzlich die Richtigkeit der Vorbereitung der von ihr angeordneten Spritze nicht überprüfen. Auch wenn die Klägerin grundsätzlich keine Kontrollpflicht der vorbereiteten Spritze traf, so hätte sie in der konkreten Situation doch den bei der Vorbereitung der Spritze unterlaufenen Fehler erkennen können, hätte sie das Etikett mit dem Inhalt der Spritze verglichen. Zu dieser Überprüfung wäre sie nach den konkreten Umständen auch verpflichtet gewesen.

Diese einmalige Nachlässigkeit der Klägerin in der konkreten Notsituation war aber nicht so schwerwiegend, dass der Beklagten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war. Aus objektiver Sicht konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihren ärztlichen Pflichten wegen dieses einmaligen Fehlverhaltens in Zukunft nicht mehr zuverlässig nachkommen würde. Fehldiagnosen hat die Klägerin im konkreten Fall nicht gestellt. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ist der Klägerin kein ähnlicher Fehler unterlaufen, sie war auch von der Beklagten zuvor nie wegen eines Fehlverhaltens verwarnt worden.

Quelle: OGH

 

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