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EU-Kommission: Neue Banken-Richtlinien nach der Krise

Die Europäische Kommission will die aus der Finanzkrise gezogenen Lehren in neue Richtlinien gießen. Heute wurden Vorschläge vorgelegt, die das Verhalten der 8000 in Europa tätigen Banken ändern sollen. Der EU-Bankensektor soll widerstandsfähiger werden, gleichzeitig sollen die Banken weiterhin die Wirtschaft und das Wachstum finanzieren. 
Von Redaktion
20. Juli 2011

Die Kommissionsvorschläge haben drei konkrete Ziele:

  • Dem Vorschlag zufolge werden Banken mehr Kapital von besserer Qualität vorhalten müssen, um künftige Schocks aus eigener Kraft bewältigen zu können. Die Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute war bei Ausbruch der letzten Krise sowohl quantitativ als auch qualitativ unzureichend, so dass die betreffenden Staaten in nicht gekanntem Maße helfen mussten. Mit ihrem Vorschlag setzt die Kommission die auf G20-Ebene vereinbarten (allgemein als „Basel III“ bekannten) internationalen Eigenkapitalstandards für Banken in Europa um. Indem es die entsprechenden Regeln auf über 8000 Banken anwendet, die 53 % der weltweiten Vermögenswerte auf sich vereinen, nimmt Europa hier eine Vorreiterrolle ein.

  • Die Kommission will außerdem einen neuen Governance-Rahmen schaffen, in dem die Aufsichtsbehörden neue Befugnisse erhalten sollen, um Banken enger überwachen und mit etwaigen Sanktionen belegen zu können, wenn Risiken entdeckt werden; z.B. sollen sie die Kredite einschränken können, wenn die Entstehung einer Kreditblase droht.

  • Indem die Kommission alle einschlägigen Rechtsvorschriften zu einem Paket schnürt, schlägt sie auch ein einheitliches Regelwerk für die Bankenregulierung vor. Dies wird nicht nur für mehr Transparenz, sondern auch für eine bessere Durchsetzung sorgen.

Hintergrund

Der Vorschlag umfasst zweierlei: eine Richtlinie über die Zulassung zum Einlagengeschäft und eine Verordnung, die die Tätigkeit der Kreditinstitute und Wertpapierfirmen regelt. Die beiden Rechtsakte gehören zusammen und sind als Gesamtpaket zu betrachten. Die Folgenabschätzung zum Vorschlag zeigt, dass die geplante Reform die Wahrscheinlichkeit einer systemweiten Bankenkrise erheblich senkt.

Die Verordnung enthält die detaillierten Aufsichtsanforderungen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und regelt folgende Punkte:

  • Eigenkapital: Der Vorschlag der Kommission sieht für die von den Banken vorzuhaltenden Eigenmittel quantitativ und qualitativ höhere Anforderungen vor. Außerdem enthält er harmonisierte Regeln dafür, welche Abzüge vom Eigenkapital vorzunehmen sind, wenn die Höhe des Eigenkapitals ermittelt wird, das nach dem Vorsichtsprinzip für Aufsichtszwecke anerkannt werden kann.

  • Liquidität: Um die kurzfristige Resilienz des Liquiditätsrisikoprofils der Finanzinstitute zu verbessern, schlägt die Kommission die Einführung einer Liquiditätsdeckungsquote vor – über deren genaue Zusammensetzung und Kalibrierung nach Ablauf einer Beobachtungs- und Prüfungsphase im Jahr 2015 entschieden werden soll.

  • Verschuldungsquote: Damit die Verschuldung in den Bilanzen der Kreditinstitute und Wertpapierfirmen nicht ausufert, schlägt die Kommission die Einführung einer der aufsichtlichen Überprüfung unterliegenden Verschuldungsquote vor. Bevor diese dann am 1. Januar 2018 möglicherweise verbindlich wird, sollen ihre Auswirkungen genauestens geprüft werden.

  • Gegenparteiausfallrisiko: Entsprechend den Maßnahmen der Kommission für außerbörslich gehandelte Derivate (OTC-Derivate) (IP/10/1125) sollen die Banken durch bestimmte Neuerungen dazu bewegt werden, OTC-Derivate über zentrale Gegenparteien (central counterparties) abzurechnen.

  • Einheitliches Regelwerk: Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, welche Gefahr von unterschiedlichen nationalen Regelungen ausgehen kann. Ein Binnenmarkt braucht einheitliche Regeln. Die Verordnung ist direkt anwendbar; so entfällt die Notwendigkeit der Umsetzung in nationales Recht – und damit auch ein Grund für Regulierungsunterschiede. Die Verordnung schreibt außerdem eine Reihe einheitlicher Eigenkapitalstandards fest.

  • Die neue Richtlinie erstreckt sich auf verschiedene Anwendungsbereiche der derzeitigen Eigenkapitalrichtlinie, in denen die Mitgliedstaaten EU-Vorschriften entsprechend ihren jeweiligen Gegebenheiten umsetzen müssen, z.B. die Voraussetzungen für Aufnahme und Ausübung des Bankgeschäfts, die Bedingungen für die Ausübung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie die Definition der zuständigen Behörden und die Grundsätze für die Bankenaufsicht.

Neu ist an der Richtlinie Folgendes:

  • Verbesserungen im Bereich Governance: Mit dem Vorschlag werden höhere Anforderungen an die Regelungen und Verfahren im Bereich Corporate Governance sowie neue Vorschriften eingeführt, die die Wirksamkeit der Risikokontrolle durch die Leitungsorgane erhöhen, den Status der Risikomanagement-Funktion verbessern und eine wirksame Beaufsichtigung der Risikosteuerung gewährleisten sollen.

  • Sanktionen: Verstoßen Institute gegen die EU-Vorschriften, gibt der Vorschlag allen Aufsichtsbehörden die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen, die nicht nur wahrhaft abschreckend, sondern auch wirkungsvoll und verhältnismäßig sind – beispielsweise Geldstrafen von bis zu 10 % des Jahresumsatzes des betreffenden Instituts oder eine vorübergehende Sperre für Mitglieder des Leitungsorgans des Instituts.

  • Kapitalpuffer: Mit dem Vorschlag werden zwei über die Mindesteigenkapitalanforderungen hinausreichende Kapitalpuffer eingeführt: ein für alle Banken in der EU identischer Kapitalerhaltungspuffer und ein auf nationaler Ebene festzulegender antizyklischer Kapitalpuffer.

  • Verbesserte Aufsicht: Die Kommission schlägt eine Verschärfung der Aufsichtsregelungen vor; so sollen künftig für jedes beaufsichtigte Institut alljährlich auf einer Risikobewertung basierende Prüfungsprogramme erstellt werden, Prüfungen vor Ort häufiger und systematischer durchgeführt werden und die Standards robuster sowie die aufsichtlichen Bewertungen intensiver und vorausschauender werden.

Schließlich will der Vorschlag die Bedeutung externer Ratings für die Kreditinstitute weitestmöglich verringern, indem vorgeschrieben wird, dass a) alle Banken ihre Anlageentscheidungen nicht nur auf Ratings, sondern auch auf ihr eigenes internes Bonitätsurteil stützen, und b) Banken, die in einem gegebenen Portfolio eine maßgebliche Zahl offener Positionen halten, für dieses Portfolio interne Ratings erstellen müssen, anstatt ihre Eigenkapitalanforderung anhand externer Ratings zu berechnen.

Der heutige Vorschlag ersetzt die früheren Eigenkapitalrichtlinien (2006/48/EG und 2006/49/EG) durch eine Verordnung und eine Richtlinie und ist ein weiterer großer Schritt zur Schaffung eines gesünderen und sichereren europäischen Finanzsystems.

Weitere Hintergrundinformationen

Um die Stabilität im Bankensektor wiederherzustellen und zu gewährleisten, dass die Kreditversorgung der Realwirtschaft gewahrt bleibt, haben sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten in ungekanntem Maße vielfältige Maßnahmen ergriffen, für die in letzter Konsequenz der Steuerzahler haftet. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission 4,1 Bio. EUR an staatlichen Beihilfen für Finanzinstitute genehmigt, von denen in den Jahren 2008 und 2009 über 2 Bio. EUR in Anspruch genommen wurden.

Autoren

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