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Obgleich die Hinweisgeber-RL umfassenden Schutz für Hinweisgeber vorsieht, sind in spezifischen Konstellationen Strafverfahren gegen diese denkbar. Die Wahl der ­Vorgehensweise sollte bereits bei der Implementierung eines Hinweisgebersystems überlegt werden. Dieser Beitrag erörtert mögliche Optionen.
Von Mag. Reinhard Hübelbauer
03. September 2020 / Erschienen in Compliance Praxis 3/2020, S. 26

Einleitung

Die am 16.12.2019 in Kraft getretene „Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (kurz „Hinweisgeber-RL“) intendiert umfassenden Schutz für bestimmte Hinweisgeber. Wie aber können Organisationen, die Hinweise über Malversationen erhalten (kurz „betroffene Organisation“), rechtlich gegen Hinweisgeber vorgehen, wenn diese selbst involviert waren? Vorbehaltlich der Umsetzung der RL in Österreich, zeigt dieser Beitrag mögliche Fallkonstellationen und Vorgehensweisen auf.

Zielsetzung und Anwendungsbereich der Hinweisgeber-RL

Die Hinweisgeber-RL zielt im Sinne der Stärkung des Binnenmarktes darauf ab, Hinweisgeber unter bestimmten Voraussetzungen vor Repressalien zu schützen. In sachlicher Hinsicht geht es um die Meldung von Verstößen gegen Unionsrecht, zB in den Bereichen öffentliches Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Produkt- und Verkehrssicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz, Datenschutz und Sicherheit von Netz- und Informationssystemen, aber auch in Bezug auf wettbewerbsrechtliche Unionsvorschriften. Die Mitgliedstaaten können den sachlichen Anwendungsbereich erweitern. 

Juristische Personen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmern sowie Finanzdienstleistungsunternehmen werden dazu verpflichtet, Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und für Folgemaßnahmen einzurichten. Dies gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Sektors, einschließlich Stellen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer solchen juristischen Person stehen. Für die Ausgestaltung der Meldekanäle und der Verfahren normiert die Richtlinie detaillierte Anforderungen, wozu insbesondere Vertraulichkeit, Schutz der Identität von Hinweisgebern und Rückmeldungen an Hinweisgeber gehören.

Schutzbereich – Verbot von ­Repressalien

Erfasst sind vor allem Hinweisgeber, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zur betroffenen Organisation stehen. Die Richtlinie nennt ua Arbeitnehmer, einschließlich Beamte, sowie Freiwillige und Praktikanten. Allerdings sind zB auch Mitglieder des Leitungs- bzw Aufsichtsorgans sowie Mitarbeiter von Lieferanten der betroffenen Organisation umfasst.

Nach Artikel 6 werden Hinweisgeber geschützt, wenn sie (i) hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen und dass diese Informationen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen, und (ii) intern oder extern Meldung erstattet oder eine Offenlegung (= öffentliches Zugänglichmachen von Informationen über Verstöße) vorgenommen haben.

Liegen die obigen Voraussetzungen vor, werden Hinweisgeber vor „Repressalien“ geschützt. Die Richtlinie definiert Repressalien als direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen in einem beruflichen Kontext, die durch eine interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung ausgelöst werden und durch die dem Hinweisgeber ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann. Betroffene Organisationen haben sowohl die Androhung als auch den Versuch von Repressalien zu unterlassen. Bei Verstoß gegen das Verbot von Repressalien sollen Sanktionen gegen betroffene Organisationen verhängt werden können. Nach Artikel 19 können Repressalien insbesondere in einer Vielzahl verschiedener arbeitsrechtlicher Maßnahmen bestehen (zB Kündigung, Suspendierung, Versagung einer Beförderung, Disziplinarmaßnahmen), aber auch in der (Ruf-)Schädigung des Hinweisgebers, vor allem in Sozialen Medien, oder in der Herbeiführung finanzieller Verluste.

Auch Strafverfahren können geeignet sein, einen Hinweisgeber wirtschaftlich und gesellschaftlich zu vernichten, und – vor allem bei Mutwilligkeit – als Repressalie zu werten sein. In mehreren vergangenen Fällen sollten Hinweisgeber durch gegen sie eingeleitete Gerichtsverfahren – nicht zuletzt infolge der Prozesskostenlast – mundtot gemacht werden. Es verwundert sohin nicht, dass ua mutwillige Gerichtsverfahren gegen geschützte Hinweisgeber gemäß Artikel 23 Abs 1 lit c unter Strafsanktion stehen. Daher ist bei der Einleitung von Strafverfahren gegen Hinweisgeber grundsätzlich Vorsicht geboten. Solange sich Hinweisgeber im Rahmen der Richtlinie bewegen und am gemeldeten Verstoß nicht beteiligt sind, besteht wohl kein Anlass dazu, strafrechtliche Schritte gegen sie zu setzen.

Mögliche Fallkonstellationen strafrechtlicher Handlungen durch Hinweisgeber

Im Hinblick auf die Einleitung von Strafverfahren gegen Hinweisgeber kommen – soweit überblickbar und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – folgende Fallkonstellationen in Betracht.

Fallkonstellation 1 – Handlungen ohne ­Zusammenhang mit der Meldung

Nach Artikel 21 Abs 4 und ErwGr 92 ist die Haftung von Hinweisgebern für Handlungen oder Unterlassungen, die in keinem Zusammenhang zur Meldung stehen oder für die Aufdeckung eines Verstoßes nicht notwendig sind, nach anwendbarem Unionsrecht oder nationalem Recht zu beurteilen. Daraus ergibt sich, dass zB eine Haftung wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen dann bestehen kann, wenn Hinweisgeber Geschäftsgeheimnisse im Rahmen einer externen Meldung oder Offenlegung übermitteln bzw offenlegen, ohne dass diese im Hinblick auf den gemeldeten Verstoß von Relevanz sind.

Fallkonstellation 2 – Widerrechtliche ­Erlangung der Informationen über den gemeldeten Verstoß

Hier ist zu differenzieren. Hinweisgeber bleiben geschützt, wenn sie für die Meldung oder Offenlegung Informationen verwenden, die ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung zugänglich sind; dies auch bei unberechtigter Kopie solcher Informationen. Gleiches soll nach ErwGr 92 gelten, wenn Hinweisgeber die Informationen erlangt haben, indem sie auf E-Mails eines Mitarbeiters oder auf Dateien, die sie im Rahmen ihrer Arbeit normalerweise nicht nutzen, zugegriffen haben, oder indem sie die Räumlichkeiten der Organisation fotografiert oder Räume betreten haben, zu denen sie normalerweise keinen Zugang haben. Haben sich Hinweisgeber die Informationen jedoch durch Begehung einer Straftat verschafft, zB durch Hausfriedensbruch, Hacking, Nötigung, Täuschung etc, sollen sie nach Artikel 21 Abs 3 und ErwGr 92 ungeachtet des Schutzes nach der Hinweisgeber-RL für die begangene Straftat verantwortlich gemacht werden können.

Fallkonstellation 3 – Irreführende
oder ­wissentlich falsche Meldung

Hinweisgeber, die irreführende oder wahrheitswidrige Meldungen erstatten, sind nicht vom Schutz der Hinweisgeber-RL umfasst, da die Voraussetzungen nach Artikel 6 nicht zutreffen. Hier kommen insbesondere Unterlassungs- sowie Schadenersatzklagen, aber auch Anzeigen wegen Verleumdung sowie ggf medienrechtliche Ansprüche in Betracht. Die Richtlinie bringt dies in Artikel 23 Abs 2 explizit zum Ausdruck.

Fallkonstellation 4 – Involvierung in
den ­gemeldeten Verstoß

Der sensibelste Fall ist der, in dem Hinweisgeber selbst in den gemeldeten Verstoß involviert sind. Ergibt sich aus einer Meldung oder darauf basierender Untersuchungen, dass der Hinweisgeber am Verstoß selbst beteiligt war und jenes Verhalten strafrechtlich relevant ist, kommt die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Hinweisgeber grundsätzlich in Betracht. Nach Artikel 21 Abs 4 unterliegt jede „weitere mögliche Haftung des Hinweisgebers aufgrund von Handlungen oder Unterlassungen, die nicht mit der Meldung oder Offenlegung in Zusammenhang stehen oder für die Aufdeckung eines Verstoßes nach dieser Richtlinie nicht erforderlich sind“, weiterhin dem geltenden Unionsrecht oder nationalen Recht. Eine richtlinienkonforme Meldung oder Offenlegung befreit Hinweisgeber weder von strafrechtlicher noch arbeits- und zivilrechtlicher Haftung! Eine Kronzeugenregelung sieht die Richtlinie nicht vor – ob der österreichische Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie eine solche Regelung in Betracht zieht, bleibt abzuwarten.

Mögliche Vorgehensweise bei strafrechtlicher ­Involvierung des Hinweisgebers

Grundsätzliche Vorüberlegungen

Vor allem im Wettbewerbs- bzw Kartellrecht ist anerkannt, dass Hinweisgeber einen wesentlichen Beitrag zur Aufdeckung von Kartellen leisten. Da Kartelle geheim sind, gestaltet sich deren Aufdeckung und Untersuchung ohne Mitwirkung daran beteiligter Unternehmen oder Personen oft sehr schwierig. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, bestehen sowohl im europäischen als auch im österreichischen Kartellrecht Kronzeugenregelungen. Im Gegenzug für die erhaltenen Informationen über das Kartell werden Kronzeugen von Geldbußen befreit (zumeist der erste Kronzeuge) oder die Geldbuße gemindert (zweite und folgende Kronzeugen; zT auch der erste Kronzeuge).

In ähnlicher Art und Weise sieht § 209a StPO eine „Kronzeugenregelung“ vor. Danach hat der Täter in Fällen schwerer Kriminalität Anspruch auf diversionelles Vorgehen (ausgenommen Tatausgleich), wenn er freiwillig an die Staatsanwaltschaft herantritt, ein reumütiges Geständnis ablegt und dadurch für die umfassende Aufklärung der Straftat wesentliche, neue Tatsachen oder Beweismittel offenbart. Zusätzlich dürfen keine „spezialpräventiven Gründe“ gegen eine Bestrafung sprechen; dies ist nach § 209a Abs 3 StPO der Fall, wenn „eine Bestrafung unter Berücksichtigung des Gewichts des Beitrags der Informationen zur Aufklärung oder Ausforschung im Verhältnis zu Art und Ausmaß seines Tatbeitrages nicht geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten“. Obgleich diese Regelung nur in wenigen Fällen zur Anwendung gekommen ist, stellte sie in Verfahren, in denen sie angewendet wurde, ein effizientes Ermittlungswerkzeug dar, vor allem zur Bekämpfung schwer aufklärbarer bzw konspirativ begangener Delikte (vgl ErlRV 1300 BlgNR XXV GP, 8). Ein führender oder mitbestimmender Tatbeitrag steht jedoch dem gänzlichen Erlass kartellrechtlicher Geldbußen wie auch der Anwendung der Kronzeugenregelung nach § 209a StPO entgegen.

Nun soll nicht unterstellt werden, dass gemeldete Verstöße stets strafrechtlich relevanten Charakter haben und Hinweisgeber involviert sind. Ausgehend von bestehenden Kronzeugenregelungen lassen sich jedoch Vorgehensweisen für die unternehmerische Praxis ableiten, um Hinweisgebern in solchen Fällen Anreize für eine Meldung bieten und auf Basis erhaltener Meldungen Missstände in betroffenen Organisationen erkennen, aufklären und abstellen zu können. Zwar kann Privatbeteiligung in einem Strafverfahren gegen einen Hinweisgeber einen verhältnismäßig kostengünstigen Titel für eine Schadenersatzforderung schaffen. In weniger kritischen Fällen, in denen der Täter und Hinweisgeber den (durch ihn) verursachten Schaden ganz oder teilweise ersetzt und spezialpräventiv keiner (strafrechtlichen) Bestrafung bedarf, könnte von der Setzung strafrechtlicher Maßnahmen abgesehen werden, wenn dies mit der Unternehmenspolitik vereinbar ist. Dazu sollten betroffene Organisationen „Kronzeugenregelungen“ im Wege von Richtlinien klar kommunizieren und auch konsequent vollziehen.

Vorschlag für den Umgang mit Hinweisgebern in strafrechtlichem Kontext

Hinweisgeber gibt Beteiligung an Verstoß in der Meldung bekannt

  • Verifizierung der Angaben des Hinweisgebers. War dieser tatsächlich in den Verstoß involviert?
  • Keine Involvierung: Nachfrage bei Hinweisgeber; Klärung möglicher Fehlinterpretation oder Falschmeldung.
  • Bei tatsächlicher Involvierung: Ermittlung des Schadens für die betroffene Organisation infolge des Verstoßes.
  • Abwägung des Gewichtes des Tatbeitrags des Hinweisgebers und des Beitrags des Hinweisgebers an der Aufdeckung des Verstoßes.
  • Kommunikation an den Hinweisgeber mit Angebot auf Absehen von Strafverfolgung bei (teilweiser) Schadenswiedergutmachung (ggf Berücksichtigung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes!).
  • Bei Annahme des Angebots: Schriftliche Vereinbarung über Schadenersatz bzw etwaige arbeitsrechtliche Konsequenzen; ggf Abschluss eines prätorischen Vergleiches (= Exekutionstitel).
  • Absehen von Strafverfolgung; allenfalls unter der Bedingung der vereinbarten Schadenswiedergutmachung. In der Vereinbarung über die Wiedergutmachung kann ein „Wiederaufleben“ vereinbart werden (Strafverfahren, wenn Hinweisgeber Vereinbarung nicht erfüllt).

Vorausgesetzt wird, dass eine Kommunikation mit dem Hinweisgeber möglich ist, da betroffene Organisationen einem Hinweisgeber nicht nur den Empfang der Meldung zu bestätigen, sondern auch das Untersuchungsergebnis bekanntzugeben haben. Im Rahmen der Wiedergutmachungsvereinbarung sollten strafrechtliche Verjährungsfristen bedacht werden, sofern bei „Wiederaufleben“ strafrechtliche Schritte gesetzt werden sollen. Sonst könnte uU Strafbarkeitsverjährung eintreten, bevor der vereinbarte Schadenersatz zur Gänze geleistet wurde.

Beteiligung des Hinweisgebers wird im Rahmen der Untersuchungen bekannt

Unter der Voraussetzung, dass der Hinweisgeber seine Beteiligung am gemeldeten Verstoß auf erste Rückfrage zugesteht, könnte wie im obigen Kapitel skizziert vorgegangen werden. Erfolgt auf Vorhalt der ermittelten Beteiligung keine Reaktion des Hinweisgebers, sollte der Sachverhalt genau untersucht und aufgeklärt werden. Je nach Ergebnis und strafrechtlicher Relevanz können dann zur Wahrung der Interessen der betroffenen Organisation strafrechtliche Schritte zu ergreifen sein.

Vorgehen bei Nulltoleranzpolitik

Ist es Teil der Unternehmenspolitik jede strafrechtlich relevante Handlung zur Anzeige zu bringen, kommen zB folgende Maßnahmen in Betracht:

  • Aufklärung des gemeldeten Sachverhalts
  • Aufforderung an den Hinweisgeber zur Selbstanzeige und Bekanntgabe der Aktenzahl binnen gesetzter Frist; Hinweis auf Diversion bzw § 209a StPO (tritt nach derzeitigem Stand zum 31.12.2021 außer Kraft)
  • Erstattung einer Anzeige unter Anregung von Diversion
  • Information des Hinweisgebers über die erstattete Anzeige unter Hinweis auf Diversion

Internes Verfahren zur Behandlung
von Meldungen

Die obigen Ausführungen sind reine Handlungsoptionen, die anhand des konkreten Falles kritisch zu würdigen sind. Jede Organisation hat nach Abwägung der konkreten Umstände über die Vorgehensweise zu entscheiden – es gibt keine Standardlösung. Allen voran sollten die Unternehmenspolitik und bestehende interne Unternehmensrichtlinien berücksichtigt werden.

Bezogen auf „Kronzeugenregelungen“ sollten vor allem nachstehende Punkte in die Überlegungen miteinbezogen werden:

  • Arten von Verstößen (zB Nulltoleranz nur in bestimmten Bereichen)
  • Verschuldensgrad des Hinweisgebers
  • Tatbeitrag des Hinweisgebers
  • Beitrag des Hinweisgebers zur Aufklärung
  • Schadensausmaß 

Wie mit Meldungen und Hinweisgebern umzugehen ist, sollte im Sinne einer einheitlichen Vorgehensweise in einer internen Richtlinie dokumentiert und kommuniziert werden. Jene Richtlinie sollte zur Orientierung für potenzielle Hinweisgeber zudem eine allgemeine Beschreibung etwaiger „Kronzeugenregelungen“ enthalten.

Information an Hinweisgeber

Im Sinne der Transparenz sollten Hinweisgeber vor Abgabe einer Meldung nachweislich davon in Kenntnis gesetzt werden, dass eine Meldung weder von straf- noch zivilrechtlicher Haftung befreit. Allenfalls in Frage kommende Unterstützungsleistungen seitens der betroffenen Organisation sollten klar an potentielle Hinweisgeber kommuniziert und letztlich konsequent umgesetzt und vollzogen werden. Bekennt sich eine betroffene Organisation dazu, in bestimmten Fällen von einer Strafverfolgung abzusehen, muss dieses Bekenntnis auch offen gelebt werden.

Ebenso sollten Hinweisgeber vor Abgabe einer Meldung über datenschutzrechtliche Aspekte (insbesondere Weitergabe von Informationen an Behörden) informiert werden. Datenschutzrichtlinien sowie Datenschutzerklärungen einer Organisation werden nach Implementierung eines Hinweisgebersystems zu ergänzen sein.

Dokumentation ist alles!

Wie in allen Bereichen der Compliance müssen Maßnahmen, die gegen Hinweisgeber gesetzt werden sollen oder gesetzt wurden, nachvollziehbar dokumentiert werden. Nach Artikel 21 Abs 7 haben Hinweisgeber in gegen sie eingeleiteten Gerichtsverfahren (zB wegen vermeintlicher Verletzung von Geheimhaltungs- oder Datenschutzbestimmungen, Verleumdung etc) das Recht, unter Hinweis auf eine rechtmäßig erstattete Meldung oder Offenlegung die Klagsabweisung zu beantragen. Ist der Hinweisgeber hierin erfolgreich, setzt sich die betroffene ­Organisation nicht nur möglichen ­Verfahren aus, die der Hinweisgeber zB wegen Rufschädigung und Schadenersatz anstrengen könnte, sondern auch möglichen Strafsanktionen wegen Verletzung des Verbots von Repressalien.

Entscheidet sich eine betroffene Organisation dazu, gegen einen Hinweisgeber Anzeige zu erstatten, muss genau dokumentiert sein, dass und aus welchen Gründen dieses Vorgehen keine Repressalie iSd Richtlinie darstellt. Infolge der Beweislastumkehr gemäß Artikel 21
Abs 5 ist die betroffene Organisation für das Nichtvorliegen einer Repressalie beweispflichtig!

fazit

Strafverfahren gegen Hinweisgeber kommen nur in bestimmten Fallkonstellationen in Betracht. ZB, wenn der Hinweisgeber in einen gemeldeten und strafrechtlich relevanten Fall selbst involviert ist. Um auch solchen Hinweisgebern Anreize für interne Meldungen zu bieten, sollten Organisationen abwägen, unter welchen Umständen sie von strafrechtlichen Maßnahmen Abstand nehmen. Diese Umstände und die genaue Vorgehensweise sollten im Rahmen einer Richtlinie dokumentiert und potentiellen Hinweisgebern kommuniziert werden. Entscheidet sich eine Organisation dazu, strafrechtliche Schritte gegen einen Hinweisgeber zu setzen, sollte aus Haftungsgründen genau und nachvollziehbar dokumentiert werden, weshalb keine Repressalie gegen den Hinweisgeber vorliegt.

Autoren

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Mag. Reinhard Hübelbauer

Mag. Reinhard Hübelbauer ist Jurist und Mitarbeiter der BDO in Österreich. Er ist in den Bereichen des Datenschutzes und der Compliance tätig und Autor juristischer Publikationen in diversen Fachze...