Navigation
Seiteninhalt

OGH zu Urlaubsersatzleistung für einen Scheinselbstständigen

Ist eine Vereinbarung trotz ihrer Bezeichnung als „Werkvertrag“ oder „freier Dienstvertrag“ tatsächlich ein echter Dienstvertrag, so ist der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers für nicht konsumierten Urlaub auf Basis des vereinbarten Entgelts und nicht nach dem kollektivvertraglichen Lohn zu berechnen.
Von Redaktion
05. November 2012

Der Kläger war über mehrere Jahre auf Basis von jeweils befristeten „Honorarvereinbarungen“ bei der Beklagten als Trainer, Koordinator und sozialpädagogischer Betreuer zu einem Stundenlohn von zuletzt 24 Euro beschäftigt. Im Sommer 2007 fragte er die Beklagte, ob er als Angestellter für sie tätig werden könne. Diese lehnte ab. Im Herbst 2008 bot ihm die Beklagte ein Angestelltendienstverhältnis mit kollektivvertraglicher Entlohnung an. Das lehnte der Kläger ab. Tatsächlich handelte es sich nach dem Inhalt der Vereinbarung und ihrer praktischen Handhabung um einen echten Dienstvertrag.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung einer Urlaubsersatzleistung für rund 63 Werktage, die ihm als Angestellter als bezahlter Urlaub zugestanden wären, und berechnete sie nach dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate seiner Beschäftigung. Auch würden die Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse aushaften.

Die Beklagte meinte, als Berechnungsgrundlage dürfe nur der kollektivvertragliche Mindestlohn herangezogen werden, weil sie dem Kläger bei Vereinbarung eines Angestelltendienstvertrages keinesfalls einen 24 Euro pro Stunde entsprechenden Lohn zugesagt hätte.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht meinte, bei Beurteilung der Vereinbarung als echter Dienstvertrag gelte die vereinbarte Entgeltabrede nicht weiter, weil sie dem ursprünglichen Parteiwillen nicht mehr gerecht werde. Der Vertrag weise nun eine Lücke auf. Um sie zu schließen, müsse das Erstgericht noch erheben, welches Entgelt für einen solchen Fall vereinbart worden wäre.

Entscheidung des OGH

Der Oberste Gerichtshof hielt fest, dass es für die Qualifikation einer Vereinbarung als freier oder echter Dienstvertrag es nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien ankommt, sondern die tatsächliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen. Daher kann nicht eingewendet werden, dass die Parteien nur einen freien Dienstvertrag ohne die damit verbundenen Rechtsfolgen des Arbeitsrechts abschließen wollten. Dass der vom Arbeitgeber zu erbringende Leistungsumfang wegen zwingender gesetzlicher Bestimmungen (hier: Urlaubsersatzleistung; Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse) größer als angenommen ist, begründet nur einen Irrtum über die Rechtsfolgen der Vereinbarung, der grundsätzlich unbeachtlich ist. Insbesondere die zwingenden Regelungen über das Urlaubsentgelt sollen sicherstellen, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub tatsächlich konsumiert. Eine Vereinbarung, wonach das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einem erhöhten laufenden Entgelt abgegolten werden soll, ist unwirksam.

Da der Berechnung der Urlaubsersatzleistung daher die von den Parteien getroffene Entgeltabrede zugrunde zu legen war, stellte der Oberste Gerichtshof das Ersturteil wieder her.

(Quelle: OGH)

Autoren

782_632_LN_Logo_RGB_Primary_Full-Color_Positive.jpg

Redaktion

Die LexisNexis Österreich & Compliance Praxis-Redaktion versorgt Sie regelmäßig mit aktuellen News und Informationen aus der Compliance-Welt. Unser Ziel ist es, Ihre tägliche Arbeit bestmöglich zu ...