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OGH: Vorwurf des Whistleblowings potenziell kreditschädigend

Das Verfassen einer anonymen Anzeige kann auch negativ verstanden werden und dadurch Schadenersatzansprüche wegen Ehrbeleidigung auslösen. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) festgestellt.
Von Mag. Klaus Putzer
18. August 2020

Mit seiner Unterlassungsklage wehrt sich der Kläger gegen die inkriminierte Äußerung, wonach er (im Ergebnis) als Whistleblower (also als Arbeitnehmer bzw. aktives oder ehemaliges Mitglied einer Organisation) für eine anonyme Strafanzeige („Sachverhaltsdarstellung“) an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft verantwortlich sei.

Aufgrund der drohenden Nachteile für den Kläger haben die Vorinstanzen hier laut OGH im Ergebnis zutreffend die Tatbestandsmäßigkeit der inkriminierten Äußerung gem § 1330 Abs 2 ABGB bejaht und die beantragte einstweilige Verfügung erlassen:

Für die Erfüllung des § 1330 Abs 2 ABGB reicht nach ständiger Rechtsprechung eine Kreditschädigungseignung, also auch eine Gefährdung, die nur mittelbar wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben kann. Daher spielt es im vorliegenden Fall keine Rolle, dass die (anonyme) Strafanzeige einen Fall betraf, der ganz massiv das öffentliche Interesse betrifft. Entscheidend ist vielmehr, dass nach einem Verständnis eines maßgeblichen Teils des von der Äußerung angesprochenen Publikums davon auszugehen ist, dass das Verfassen der anonymen Anzeige auch negativ verstanden wird. Dieser Teil des angesprochenen Publikums muss keineswegs mehr als 50 % ausmachen.

In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Whistleblower sich der Tatsache bewusst sein sollten, dass ihre Meldung im Unternehmen als Angriff interpretiert werden und somit zu Antipathien seitens des Arbeitgebers führen könne. Aufgrund dessen sollten persönliche Konsequenzen mit Vertrauenspersonen besprochen werden, um festzustellen, ob diese zumutbar sind. Außerdem müsse man abwägen, wie hoch das Risiko einer Entlassung im Falle einer Meldung sei und wie dadurch der berufliche Werdegang langfristig beeinflusst werden könnte. In der Praxis bewahrheiteten sich immer wieder die Befürchtungen, dass Whistleblowing den Job kosten könne. 

Volltext der Entscheidung

Quelle: LexisNexis Rechtsredaktion

Autoren

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Mag. Klaus Putzer

Mag. Klaus Putzer war von 2010 bis 2023 Redakteur bzw. Chefredakteur der Compliance Praxis. Zuvor war er in mehreren Verlagen als leitender Redakteur im Magazinbereich tätig bzw. arbeitete als frei...