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Motivation und Grundsatzerklärung im Fokus. Ein Kommentar von Martin Reichetseder.
Von Mag. Martin Reichetseder
28. September 2023

Unternehmen beschäftigen sich derzeit aus unterschiedlichen Gründen mit dem Thema „ESG“. Es mag zum einen die intrinsische Motivation sein, Verantwortung für die eigene Geschäftstätigkeit zu übernehmen oder zum anderen die gesetzliche Pflicht (zB in Vorbereitung auf künftige Verpflichtungen wie CSRD, CSDDD sowie zur Umsetzung bestehender Regelungen wie UK Modern Slavery Act, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland, Transparency in Supply Chain Act in den USA, Loi de vigilance in Frankreich etc.). Die Wahrheit in der Motivation liegt wahrscheinlich dazwischen und findet diese im Faktor „Business“ eine weitere Grundlage – nachhaltiges Unternehmertum und Integrität werden unweigerlich zu maßgeblichen Kundenanforderungen.  

Verantwortung für die eigene Wertschöpfung 

So oder so (also ungeachtet der Motivation) kommt man nicht um einen kritischen Blick in das eigene Unternehmen und um einen Realitätscheck bezüglich der eigenen Wertehaltung umher. Das Thema „Verantwortung für die eigene Wertschöpfung“ und die Überprüfung der Lieferketten auf Verstöße gegen die Menschenrechte sowie den Schutz der Umwelt rücken dabei in den Fokus. Eine Verletzung der Menschenrechte darf und kann nie ein Wettbewerbsvorteil sein. Dasselbe betrifft den Umgang mit der Schöpfung – der Schutz unserer Umwelt ist ohnehin schon lange kein „nice to have“ mehr. Darin sind wir uns wohl alle einig (oder sollten es zumindest sein).

Sorgfalt entlang der Lieferkette

In Bezug auf unsere Lieferketten ist festzuhalten: die Finalisierung der CSDDD ist eingeleitet und das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ ist in Deutschland auch schon seit 9 Monaten „live“. Obgleich es in Österreich noch kein eigenes – der CSDDD sowie dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz entsprechendes – Gesetz gibt, ist es naiv zu denken, dass Unternehmen in Österreich nicht schon längst von der Thematik betroffen sind. Sie treffen uns als Zulieferer (und somit wesentlicher Teil der Lieferketten für deutsche Unternehmen), ohne dass diese in Österreich selbst einer gesetzlichen Verpflichtung unterliegen.  

Es erscheint also sinnvoll, diese Pflichten als „Anleitung“ zu lesen und sie in Schritten umzusetzen.

Lieferkettensorgfalt als Teil der DNA 

Grundsätzlich gilt: Nachhaltiges Unternehmertum ist nur von Erfolg gekrönt, wenn es Teil der Unternehmenskultur ist. Das erfordert einen entsprechenden Tone from the Top. Die Geschäfts- bzw. Unternehmensleitung muss das Thema in ihre Strategie(n) integrieren, Ziele definieren und deren Umsetzung einfordern. Nicht umsonst muss nach gesetzlichen Maßstäben eine entsprechende Grundsatzerklärung durch die Unternehmensleitung verabschiedet werden. In der Praxis beinhaltet diese einen Bezug zur Strategie, umreißt den eigenen Umgang und die Erwartungen an andere bezüglich Menschenrechte & Umwelt, verweist auf das Hinweisgebersystem (und den Prozess der Bearbeitung von Meldungen), etc.
Im besten Fall wird diese auch noch veröffentlicht.  

Die Grundsatzerklärung ist sohin die verschriftliche Erklärung, dass die Verantwortung für die Wertschöpfung bzw. Lieferkette Teil der unternehmenseigenen DNA ist. Viele Unternehmen aus Deutschland fordern eine solche Erklärung, wenngleich sich bereits aus bestehenden Dokumenten entsprechende Sorgfaltspflichten und Grundsätze ergeben (das zeigt zum einen den formalistischen Charakter der Rechtsgrundlage und verringert zum anderen das Vertrauen in die „Kunst“ des sinnerfassenden Lesens). 

Alles neu? Nicht zwingend! Bei der Ausgestaltung einer Grundsatzerklärung kann man zwar ein eigenes Dokument erstellen, darf aber natürlich auch auf bereits bestehende Erklärungen des Unternehmens zurückgreifen. Beides ist ok und die Entscheidung wohl eher eine Frage des Stils, eine Frage der Ressourcen und/oder eine Frage ob „Pflicht“ oder doch „Kür“.  

Aus praktischer Sicht eignet sich die Integration der Grundsatzerklärung in den oftmals bereits vorliegenden „Code of Conduct“. Die Grundsatzerklärung, als wichtiger Schritt in Richtung „Lieferkettensorgfalt als DNA, baut dadurch auf einem (für die Kultur im Unternehmen) essenziellen Dokument – dem „Code of Conduct“ – auf. In diesem beschreiben Unternehmen längst ihre moralischen, wertebasierten Ziele, Erwartungen, Vorgaben und Sanktionen bei Nichtbeachtung.

Tipps für den kombinierten Code of Conduct: 

  • Beginnen Sie mit einer „Grundsatzerklärung“, in der Sie sich (neben einem Hinweis zu Ihren Unternehmenswerten) insbesondere zur Wahrung der Menschrechte und zum Schutz der Umwelt verpflichten.  
  • Anerkannte Standards: Orientieren Sie sich an bekannten Standards bzw. Initiativen; insbesondere empfiehlt sich ein Blick in die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die Prinzipien der ILO sowie die Grundprinzipien des UN Global Compact. Zitieren Sie diese Grundsätze und erklären Sie (sofern Sie das tun), sich als Unternehmen an diesen Prinzipien zu orientieren.  

Für ein glaubwürdiges, nachhaltiges Unternehmertum

Bezüglich des UN Global Compact sollten Sie überlegen, ob nicht ein Beitritt sinnvoll erscheint. Mit diesem bestätigen Sie öffentlich, die Menschenrechte zu wahren und die Umwelt zu schützen. Mit der damit einhergehenden Außenwirkung schaffen Sie – zusammen mit Ihrem Code of Conduct – die ersten Maßnahmen für glaubwürdiges, nachhaltiges Unternehmertum


Das Thema Lieferkettensorgfaltspflicht war auch Teil des Programms am diesjährigen Compliance Solutions Day 2023. Zum Nachbericht geht es hier, Teilnehmer:innen des Events können das Programm auch nachsehen.

Autoren

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Mag. Martin Reichetseder

Mag. Martin Reichetseder, Director Legal Services & Group Compliance Officer der TGW Logistics Group GmbH, Autor, Mitgründer und CEO von .LOUPE – focused on business integrity.