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Rechtsstaatlichkeit in Österreich: Kritik aus Brüssel

Die Europäische Kommission hat ihren Rechtsstaatlichkeitsbericht veröffentlicht. Es gibt Fortschritte, aber auch viele Baustellen. Einiges an Kritik muss auch Österreich einstecken.
Von Redaktion
10. Juli 2023

In ihrem kürzlich veröffentlichen jährlichen Bericht über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten stellt die Europäische Kommission fest, dass in 65% der Fälle Verbesserungen eingetreten sind, da die Empfehlungen des vorjährigen Berichts ganz oder teilweise befolgt wurden. Andererseits bleiben im Blick auf einige Staaten systemische Bedenken bestehen.

Der Bericht, der neben einer Mitteilung zur Lage in der gesamten EU 27 Länderkapitel umfasst, nimmt vier Bereiche unter die Lupe: das Justizsystem, die Korruptionsbekämpfung, die Freiheit und Vielfalt der Medien und die institutionelle Gewaltenteilung. In vielen Staaten, heißt es, wurden Justizreformen durchgeführt, Unabhängigkeit und Effizienz der Justiz gestärkt, der Zugang zur Justiz erleichtert. 

Die Justiz ist nicht überall unabhängig 

Allerdings gilt das nicht für alle Mitgliedsstaaten. In manchen ist die Unabhängigkeit der Justiz nach wie vor nicht gewährleistet. Umfragen haben ergeben, dass die große Mehrheit der Bürger (75%) in Finnland, Dänemark, Österreich und Luxemburg ihr Justizsystem als unabhängig wahrnehmen, während in Polen und Kroatien dies nur bei 30% der Bürger der Fall ist. Dass die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs in Polen nach rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt – darüber hegt die Kommission weiterhin Zweifel. Aber auch Österreich wird im Bericht gerügt: Die Empfehlung, eine unabhängige Oberstaatsanwaltschaft und eine spezialisierte Antikorruptionsbehörde zu errichten, wurde bislang nicht befolgt.  

Viele EU-Bürger klagen über Korruption 

Die Korruption bleibt in der EU ein besorgniserregendes Phänomen, zumindest in der Wahrnehmung der EU-Bürger. Laut Umfragen ist eine wachsende Mehrheit der EU-Bevölkerung – in Österreich 60% – und der Unternehmen der Meinung, dass in ihrem Land Korruption weit verbreitet ist. 67% der Befragten sind davon überzeugt, dass Korruptionsfälle auf hoher Ebene nicht angemessen verfolgt werden.

Nichtsdestotrotz lobt die Kommission, dass etliche Staaten Maßnahmen ergriffen haben, um ihren Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung nachzukommen – die einen, indem sie die Sanktionierung und Verfolgung der Korruption auf hoher Ebene gestärkt haben, die anderen durch die Erhöhung der Kapazitäten der zuständigen Behörden, und wieder andere durch die Einführung von Verhaltenskodizes und Lobbying-Vorschriften. Positiv sieht die Kommission auch, dass öffentliche Bedienstete in den meisten Mitgliedstaaten Pflichten zur Offenlegung von Vermögenswerten und Interessen unterliegen; allerdings würden sich diese hinsichtlich des Umfangs, der Transparenz und der Zugänglichkeit der mitgeteilten Informationen unterscheiden.  

Medienfreiheit und Medienvielfalt – teilweise gefährdet 

In punkto Freiheit und Vielfalt der Medien stellt die Kommission zwar Verbesserungen fest, was den Schutz und die Sicherheit von Journalisten angeht, kritisiert jedoch die mangelnde Transparenz bei der Vergabe staatlicher Werbeaufträge in vielen Staaten. Auch dass Interessenkonflikte weiterhin bestehen bleiben, und dass Journalisten der Zugang zu öffentlichen Dokumenten oft erschwert würde, entspricht nicht den Maßgaben der Kommission. Ebenso bemängelt sie, dass die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten in manchen Mitgliedsstaaten alles andere als unabhängig sind. Um all dem beizukommen, hat die Kommission im September 2022 ein Medienfreiheitsgesetz vorgeschlagen – über das gerade verhandelt wird – das den Medienpluralismus und die redaktionelle Unabhängigkeit EU-weit garantieren sollte.

Überdies werden im Bericht Fortschritte im Hinblick auf die institutionelle Gewaltenteilung und die Qualität der Gesetzgebungsverfahren verzeichnet; andererseits bleibt die Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsverteidigern vielerorts nicht einfach. 

Rechtsstaatlichkeit in Österreich 

Laut dem Bericht ist es um die Rechtsstaatlichkeit in Österreich trotz eines positiven Gesamturteils nicht nur gut bestellt. Hierzulande wurde noch nichts unternommen, um Justizvertreter in die Ernennung von Gerichtspräsidenten der Verwaltungsgerichte einzubeziehen. Genauso wenig wurden Vorschriften für die Offenlegung von Vermögen und Interessen der Abgeordneten eingeführt. Und wenn manche Fortschritte in Sachen Transparenz bei der Verteilung staatlicher Werbegelder erzielt wurden, heißt dies lange nicht, dass diese Gelder gerecht verteilt würden. Das längst fällige Informationsfreiheitsgesetz ist weiterhin nicht in Sicht.  

Quelle: Europäische Union

 

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